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Trendseller: Gamification – Mehr Wow-Effekte!

Es gibt immer mehr Menschen, die Computer spielen. Diese Entwicklung verändert das Verhalten und die Erwartung der Menschen. Mit der Handelsexpertin Marilyn Repp sprachen wir über den Trend „Gamification“.

Marilyn Repp, stellvertretende Geschäftsführerin des Mittelstand-Digital Zentrum Handel

Warum ist Gamification für den Handel so wichtig?
Spiele, Gaming und spielerische Ansätze liegen voll im Trend und werden immer wichtiger. Warum ist das so? Weil immer mehr Generationen damit aufgewachsen sind und dadurch konditioniert wurden. In der Gen Z (Jahrgänge 1996-2012) spielen 80 Prozent regelmäßig Spiele – seien es Shooter oder Candy Crush am Smartphone. Freizeit, Spiel und Spaß werden in den Leben der jungen Leute immer einflussreicher, während die Arbeitszeit zurück geht. Wer also junge Menschen als Kundinnen und Kunden oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen will, muss deren Sprache sprechen und sie vor allem dort abholen, wo sie sind. Die chinesische Billig-Plattform Temu bedient den Spieltrieb par excellence und wurde mit Gewinnspielen und dem allgegenwärtigen Glücksrad auf Platz eins der App-Downloads in Deutschland katapultiert.

Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es?
Ich unterscheide hier zwischen den Zielsetzungen: Will ich Zielgruppenmarketing für meine Produkte oder Dienstleistungen machen oder will ich mich als guten Arbeitgeber positionieren? Der Bereich Employer Branding wird in Zeiten des Personalmangels immer wichtiger. Gerade die großen Lebensmitteleinzelhändler mit ihrem enormen Personalbedarf sind hier mit ihren Agenturen sehr aktiv. Inzwischen finden sich etwa auf der Spielemesse Gamescom in Köln Rewe, Rossmann, Aldi und weitere Handelsunternehmen.
Quick-Commerce-Anbieter Flink versendete vor einigen Monaten einen Newsletter, der zur Suche von Joko Winterscheidts Schlüssel aufrief. Der TV-Moderator ist das Werbegesicht der App. „Im Sortiment haben sich mein Schlüssel, mein Federmäppchen und meine Schlittschuhe versteckt – wer sie findet, erhält Rabatte und Gewinne“ – so sucht man sich durch das gesamte Sortiment.
Auch Kundenbindungsprogramme wie Payback und andere Sammelprogramme fußen auf dem Spieltrieb der Kundschaft. Die großen Kundenbindungsprogramme haben sich in den vergangenen Jahren aber nicht wirklich weiter entwickelt und sprechen insbesondere sehr junge Kundinnen und Kunden nicht an. Ich gehe davon aus, dass in diese Lücke bald andere Anbieter reingehen.
Im Bereich Employer Branding, also alles rund um die Arbeitgebermarke sind etwa Rewe im Gaming-Bereich sehr aktiv, ebenso die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland. Ich habe zuletzt auch ein Online-Quiz gesehen, das im Bereich HR eingesetzt wurde und so spielerisch die Aufgaben und das Unternehmen vorstellte.
Die Einsatzbereiche sind vielfältig. Dass sich der QR-Code in der Pandemie so durchgesetzt hat, eröffnet insbesondere für den stationären Handel neue Möglichkeiten: durch das Scannen von QR-Codes auf der Fläche kann ich Kundinnen und Kunden digital erfassen und einen Touchpoint herstellen. Augmented Reality Anwendungen in der Ladenfläche können für Spaß sorgen und in Verbindung mit Social Media auch das Marketing des Händlers voranbringen.

Temu setzt auf
das allgegenwärtige Glücksrad, Rabatte und Gewinne

Wie gut hat sich das Thema bisher im Handel entwickelt?
Ich sehe immer mehr Anwendungsbereiche und kreative Ansätze. So arbeitet eine bekannte Einkaufsgemeinschaft etwa mit einem wöchentlichen Quiz zum Thema IT-Security. Jeder Mitarbeitende muss das Quiz wöchentlich machen und informiert sich so über aktuelle Einfallstore von Cyberkriminellen. Denkbar sind auch Spiele wie: der aufregendste Prompt der Woche. So kann man Mitarbeitende dazu bewegen, sich mit den aktuell explodierenden Künstliche Intelligenz-Tools zu befassen und Dinge auszuprobieren. Das halte ich für die Botschaft der Stunde: Ausprobieren und Testen muss in Unternehmen Teil der DNA werden. Nur so kann man bei der Digitalisierung und ihrem enormem Tempo Schritt halten.

Quick-Commerce-Anbieter Flink lässt in der App nach Jokos Schlüssel suchen

Werden die neuen Entwicklungsstufen bei VR- und AR-Brillen Gamechanger sein?
Ich denke, wir befinden uns mitten in einem spannenden Prozess: Die echte und die digitale Welt verschmelzen immer weiter. Junge Generationen sind quasi online groß geworden. Das wird in Zukunft so weitergehen. VR und AR sind hier nur ein Teil der Geschichte: dazu gehören auch andere Technologien und Devices wie Smartwatches, Kopfhörer oder eben das Smartphone. Ich glaube schon, dass wir irgendwann Informationen über kleine, leichte Datenbrillen oder Kontaktlinsen abrufen können. Bis dahin wird aber noch etwas Zeit vergehen – die heutigen VR-Modelle sind nicht alltagstauglich. Was außerdem fehlt, ist die digitale Infrastruktur. Um einzigartige Erlebnisse auf kleinen Brillen zu ermöglichen, brauchen wir große Datenmengen. Das geht nur mit 5G, wir sind aber noch nicht einmal flächendeckend bei 4G. Es braucht also noch etwas Zeit!
Was die Inhalte für Virtual-Reality angeht: Die Welten, die hier erschaffen werden müssen, sind noch sehr teuer in der Erstellung. Wir erleben derzeit durch die vielen KI-Tools aber eine Revolution in dem Bereich. Bald werden wir VR-Welten per Prompt (also Textbefehl) erstellen können. Wichtig bei VR, AR und spielerischen Ansätzen ist meiner Meinung nach aber, dass es nicht ausschließlich um Produkte und Angebote geht. Zentral ist ein Erlebnis, ein Wow-Effekt, ein Lachen oder ein Staunen. Das begeistert Menschen und bindet sie ans Unternehmen. Es geht vornehmlich um Brand Building und nicht um Angebotskommunikation.

zukunftdeseinkaufens.de


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