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Nordisch schlicht – Zeitlos schön

Nordisches Design ist nach wie vor im Trend. Ihre Funktionalität, Reduziertheit und natürliche Materialien machen skandinavische Möbel, Leuchten und Designgegenstände so beliebt. Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt skandinavische Designer, die mit innovativen Ideen aufwarten. Die Redaktion Trend&Style hat den Vortrag des schwedischen Trendexperten Stefan Nilsson auf der Nordstil in Hamburg angehört und sich auf der Formex in Stockholm umgeschaut.

Die schwedische Marke Klong arbeitet mit meheren Designern und schafft Möbel, die wie ein Sound nachhallen und somit Statements im Raum setzen

Seit Jahrzehnten überzeugen die Skandinavier mit zeitlos schönen Produkten, handwerklich gut gemacht und super kombinierbar. Ob große Marken oder individuelle Designer: die Nordlichter haben die Nase vorn. Reduziert, funktional und ganz dem Material verschrieben, so charakterisiert der schwedische Trendexperte Stefan Nilsson nordisches Design. Auf der Nordstil in Hamburg erzählte er in seinem Vortrag augenzwinkernd vom Wettbewerb zwischen Dänen und Schweden, vom Erfolg der goldenen Jahre und vom Fokus auf Modernität. Nordisches Design zeichnet sich vor allem durch Funktionalität und Schlichtheit aus. „Wir haben wenig Ornamente, wir lieben es einfach, klare Linien, keine Schnörkel und wir mixen selten die Materialien. Wenn etwas aus Holz gefertigt wird, dann ist es auch aus Holz und wird nicht mit Glas kombiniert“, erläutert Nilsson. In Schweden, Dänemark, Norwegen und Finnland gibt es einen wahren Design-Kult. Vielleicht liegt es an den eher kalten, kargen Landschaften, dass die Skandinavier besonders viel Wert auf ein schönes Zuhause legen. Die unberührten Wälder bieten hochwertiges Holz, das meist als Massivholz verwendet wird. Neben Holz gehören Glas, Leder, Leinen und Keramik zu den bevorzugten Materialien, die eine warme Atmosphäre verströmen.

Boomende Marken im Trend

Die Dänen haben schon Mitte des vorigen Jahrhunderts berühmte Designer hervorgebracht, darunter Arne Jacobsen (der 1958 den Egg-Chair erfand), Hans Wegner (sein Pfauenstuhl aus dem Jahre 1947 gilt noch heute als Klassiker) und Poul Henningsen, kurz PH genannt, entwarf in den 1950ern seine blendreien PH Pendelleuchten. Heute machen vor allem große, bekannte Marken wie Stelton, Normann Copenhagen, HAY, &Tradtion, Muuto, House Doctore oder Bloomingville von sich reden. Alles supertrendy, meint der Experte: „Prägend für das Land sind aktuell weniger namhafte Designer denn boomende Marken, die mit ihren Stores den Trend vorgeben“, so Stefan Nilsson.

2002 gründet beispielsweise Rolf Hay die Firma HAY und macht modernes, unkompliziertes Design zu fairem Preis, probiert neue Techniken und Formen, darunter den Stuhl „Nobody“ aus recycelten Plastikflaschen. Heute bedient HAY weltweit Händler und hat Flagship Stores in Europa und Asien. Einen orientalisch-bunten Einschlag hat die Kollektion des 1991 gegründeten Familienunternehmens Nordal mit Sitz in Horsens, dessen Kollektionen vom dänischen, nordischen Hintergrund inspiriert sind und durch Reisen im Osten einen Akzent erhalten. Betina Stampe hat Bloomingville ins Leben gerufen: „Wir designen unsere Produkte nicht, um Häuser, Räume oder Menschen zu belehren – wir wollen mit unseren Produkten unterstützen“. Mit nur wenigen Produkten soll der gesamte Look aufgefrischt werden, ein erfolgreiches Konzept, wie unter anderem auf der Nordstil zu erleben war, wo bei Bloomingville fleißig geordert wurde.
Die Marke Liv Interior wurde im Jahre 2005 von Tina und Asad Mirza gegründet. Tina, gebürtige Dänin und gelernte Graphic-Designerin und Asad, in Pakistan geboren, vereinen einen kulturellen Mix, der sich im Design aller Produkte widerspiegelt. Neben skandinavischer Einfachheit und dem Hang zu Schwarz und Weiß, finden sich bei Liv Interior auch starke Farben, die den modernen Touch ausmachen. Die neue Kollektion ist von den 1970ern beieinflusst und setzt auf Gelb.
Liv engagiert sich für den Umweltschutz und verarbeitet Plastikflaschen zu Teppichen. In Recyclinganlagen werden diese Abfälle in handliche „Flakes“ runtergebrochen, von Rückständen befreit, dann eingeschmolzen zu Fäden gestreckt, zu Garn verdreht und auf Spulen gezogen. Je nach Teppichgröße werden zwischen 100 und 750 recycelte PET-Flaschen benötigt. Die Teppiche sind langlebig, strapazierfähig, maschinenwaschbar und ein Schritt zum nachhaltigen Wohnen.
Die Dänin Annemette Markvad hat gemeinsam mit Thomas Adamsen vor über 30 Jahren Pilgrim gegründet. Ihre ersten Schmuckstücke verkauften die beiden Hippies auf Festivals. Inzwischen hat sich Pilgrim zu einer internationalen Marke gemausert, deren Schmuckkollektionen und Sonnenbrillen sich immer wieder neu durch schlichte Schönheit behaupten.
Hell, klar und aufgeräumt wirken die in nordischem Design gestalteten Innenräume, die ein sanftes Wohlfühl-Ambiente verströmen: dezente Farben, beruhigende Elemente, schöne, schlichte Accessoires, gerade Linien bei den Möbeln und klassische Strukturmuster auf Kissen oder Decken.

 

Liv Interior: Liv kommt aus dem Dänischen und bedeutet Leben. 2005 gegründet entwirft Liv Interior zwei Kollektionen pro Jahr für ein schönes Zuhause

Stuhl von Nordal aus Echtholz

Innovatives aus Schweden

Schweden hat neben Ikea und H&M auch Marken wie „Klong“ (ein Label der beiden Designerinnen Sofia Lagerkvist und Anna Lindgren), mit überraschenden Kleinmöbeln, darunter das preisgekrönte Sideboard Glimmer. Eine weitere aufstrebende Marke ist „Front“, die unter anderem erfolgreich Lampen herstellen, die permanent Seifenblasen produzieren, in denen sich Licht spiegelt.
Auch VäxboLin zählt zu den hochwertigen, schwedischen Marken. In Växbo haben Leinenbauern schon lange die Wasserkraft zur Bearbeitung der Fasern genutzt. Aus dieser Tradition begann VäxboLin 1989 mit einer Spinnerei und der Leinenweberei. Gediegen, persönlich und innovativ, lauten die Leitlinien des kleinen Unternehmens mit großem Potential, das Handtücher, Tischdecken, Kissen, Gardinen, Kleider und Handtaschen herstellt. Seit 2006 gehört das Unternehmen dem jungen Paar Hanna und Jacob Bruce, die nun auch ihre Produkte auf den europäischen Markt bringen.
Bei Elce Living erzählt jedes Kissen mit seinen besonderen Mustern eine Geschichte, meist inspiriert von den persönlichen Reisen der Gründerin Tiina Wilén, die aus dem IT-Bereich kommt, als Bloggerin startete und jetzt erfolgreich designt und sich von Städten und Architektur weltweit inspirieren lässt. Die Kollektion besticht durch geschmackvollen Mix aus Farbe und Form. Die Kissen heißen nach den Städten, Moskau, Athen oder Shanhghai. Neuerdings entwirft Elce Living aus Stockholm auch für die Kleinen bezaubernde Decken aus reiner Baumwolle mit trendigen Mustern. „Zuhause ist für mich ein glücklicher, wichtiger Ort, den ich mit Freunden und Familie teile. Mit unseren Produkten wollen wir das Zuhause gemütlich, aber auch stylisch machen“, sagt Tiina.

Seetang als Neues Material

Für die jungen Designer aus dem hohen Norden sind Nachhaltigkeit und ökologisches Bewusstsein wichtige Themen: Sie recyceln und entwerfen Lampen aus Marmelandengläser, Regale aus alten Holzstücken, Stühle aus alten Taschen oder gehen ganz neue Wege wie besipielsweise der Däne Jonas Edvard. Er hat gemeinsam mit Nikolaj Steenfatt ein neues, reichhaltig in der Natur verfügbares Material für sich entdeckt, nämlich Seetang.
Das Duo experimentiert mit luftgetrocknetem, frischem Seetang, den sie vor den Küsten Dänemarks aufsammeln, wo es Seetang im Überfluss gibt, und ihn dann zu Pulver verreiben, mit Papier und Kleber mischen und Lampenschirme daraus formen, die wie Ton gebrannt werden.

Klassik trifft Öko: Lampen aus Seetang von den dänischen Produktdesignern Jonas Edvard und Nikolaj Steenfatt. Ihre Möbelserie „Terroir“ ist aus Algen, die an der dänischen Küste wachsen

Die finnische Firma Marimekko designt Bekleidung und schlichte Haushaltswaren

Finnisches Design

Auch die Finnen haben ihre großen Namen und Stars, wie Alvar Aalto, der bereits 1931 seinen berühmten Paimo Sessel gestaltete, als Ergebnis zahlreicher Biegeversuche mit naturfeuchtem Birkenholz, das es in Finnland zur Genüge gibt. Die federnde, tiefe Sitzfläche samt organischer Formen machen den bequemen Sessel zu einem oft nachgeahmten Klassiker. Designgegenstände sollten für Aalto nicht nur zweckmäßig, schön und nützlich sein, sondern auch bezahlbar. 1935 gründete Aalto die Marke Artek, die 2003 zwar von Vitra aufgekauft wurde, aber dennoch unter dem bekannten Namen und in Aalto-Manier weitergeführt wird. Artek hat im Herzen Helsinkis einen neuen Flagship Store eröffnet.
Und Stores geben, so Stefan Nilsson, die Trends vor. Neben der eigenen Möbel-, Leuchten- und Accessoireskollektion werden bei Artek auch historische second Cycle Produkte sowie ein erweitertes Sortiment von Designobjekten aus Finnland und seinen Nachbarländern angeboten. Ein Großteil der Ladenfläche ist übrigens für Design-, Kunst-, Handwerks- und Architekturausstellungen reserviert. Der Name Alvar Aalto ist auch mit dem Unternehmen Iittala verbunden, für das er entworfen hat und das 1881 als Glasfabrik in der finnischen Stadt Iittala begann. Aalto wollte das Glas von der geometrischen Form „befreien“ und es organischer, lebendiger machen. Iittala produziert bis heute geschwungene Vasen und Gläser sowie charakteristische Gegenstände, die kombinierbar und multifunktional sind.
Eine weitere große finnische Marke heißt Marimekko, ein 1951 gegründetes Unternehmen für Kleidung, Heimartikel und Accessoires, das auf Nachhaltigkeit, Dauer und ökologische Verträglichkeit setzt.
&Bros ist dagegen ein junges, finnisches Desingstudio aus Helsinki, das Objekte aus Keramik und Textilien sowie Lampen und kleine Möbel herstellt, durchaus mit Humor, wie beisielsweise eine Leselampe aus Karton „Burn After Reading“. Qualität, Ästhetik und Funktionalität sind auch in Finnland wichtige Werte.

Norwegen auf Überholspur

Norwegen begibt sich designtechnisch gerade auf die Überholspur und punktet mit aufstrebenden Trendsettern aus Oslo wie Kråkvik&D‘Orazio. Auch die beiden preisgekrönten Designer Torbjørn Anderssen and Espen Voll sind weit über ihre Heimat Norwegen hinaus bekannt und haben zuvor mit ihrem norwegischen Kollegen Andreas Engesvik zusammengearbeitet, der sich 2009 in Oslo selbständig machte.
So verschieden die skandinavischen Länder sind, der Wunsch nach Einfachheit spiegelt sich bei allen in ihrem Design, ein Wunsch, der heute mehr denn je den Nerv der Zeit trifft. Das komplexe, vernetzte Leben ruft nach Reduktion und Übersichtlichkeit. Nordisches Design rückt die Bedürfnisse des Menschen in den Vordergrund. Trotzdem wirkt es nie hart, was auch an den natürlichen Materialien liegt, die schon von sich aus eine Wärme ausstrahlen. Holz, das mit Beton kombiniert wird, behält seine gemütliche Ausstrahlung. Selbst recycelte Materialien punkten mit Charme und weil das Design zudem zeitlos schön ist, kommt es, wie die schwedische Kaffeepause Fika, auch nie aus der Mode!

Lieben Leinen: Ob Kissen oder Bettlaken: Kardelen setzt auf reines Leinen, kleine Knitterfalten willkommen!