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Die Symbiose – funktioniert nicht mehr

Sie nennt sich „the show“, und das ist die Ambiente in Frankfurt tatsächlich. Aber „the show must go on“: Denn die Branche und damit auch ihr Spiegelbild – die Messe – stehen vor großen Herausforderungen. Für den Handelsverband Deutschland (HDE) kommt eine der größten aus dem Internet. Denn dorthin verlagere sich die Show. Selbst in Messe-kreisen wird unabhängig von der Branche der Switch zur Plattformökonomie zumindest als ergänzendes Geschäftsmodell diskutiert.

Sie schaffte über ihr Design den emotionalen Zugang zum Kunden: Die PSJS Zitronenpresse von Philippe Starck. Ein Beispiel dafür, wie sich das Habenwollen vom Kopf in den Bauch verlagerte (Foto: Kirchner Stefan / Alessi)

„Für Handelsmodelle ist die Lage nicht eng, es gibt gar keine Lage mehr.“ In seinem Blog „Kassenzone.de“ versucht Alexander Graf gar nicht erst, stationäre Existenzen zu trösten. Für ihn als E-Commerce Unternehmer ist Amazon auch längst kein Handelspartner mehr. Vielmehr ist Amazon „nur“ eine Plattform, die sich nicht für das Geschäft des Handels interessiert, sondern primär für den exklusiven Kundenzugang. Und Graf rät Herstellern, schleunigst Dinge zu machen und umzusetzen, die aus Sicht von gestern hochriskant wirken, und den Handel ruft er auf: Mach was dagegen. Tatsächlich machen immer mehr Händler etwas dagegen. Immerhin ist Kundenzugang Handelssache, und auch Amazon ist über das Handelsgeschäft auf den Trichter gekommen, seinen auf gesammelten Daten basierenden Kundenzugang zu vermarkten.
In den vergangenen zehn Jahren ist der Online-Anteil am deutschen Handelsumsatz von vier auf zehn Prozent gestiegen. Das verkündet der HDE. Viele Leerstände in den Nebenzentren und abseits der Haupteinkaufsstraßen werden als Beweis für die Folgen angeführt. Offenbar geht die Show an der stationären Basis wohl wirklich nicht einfach immer weiter. Davon betroffen ist auch die Living-Branche. Da tröstet es wenig, dass der Teil der Konsumausgaben, der in den Handel fließt, generell immer kleiner wird und damit alle Branchen und Handelsformate betroffen sind. Die richtige Show-Time und damit der Umsatz finden woanders statt: Freizeit, Urlaub und Unterhaltung werden genannt, ja sogar für Kultur wird mehr Geld ausgegeben, während der Handel das Nachsehen hat, berichtet die GfK in ihrer Studie „Experience Economy“.

Der Handel ist auf dem Weg

Die Konsequenzen, die der Handel aus dieser Studie ziehen, müsste lauten, entweder aufgeben oder die Branche wechseln oder zumindest das Geschäftsmodell ins Internet zu verlagern. Zumindest so lange, wie es hier noch etwas besser läuft als in langsam verödenden Innenstädten. Alle aufgeführten Konsequenzen werden tatsächlich gezogen: Die einen geben auf. Andere gehen ins Internet – und manche sind dabei sogar richtig erfolgreich. Wieder andere starten stationär durch. Mit neuen Konzepten und/oder an neuen Standorten. Darunter auch Händler, die sozusagen im Internet aufgewachsen sind. Der Handel der Branche ist auf dem Weg und spiegelt damit die Entwicklungen im Handel generell.

Von den hochriskanten Dingen, die Alexander Graf den Markenherstellern rät, findet man in der Branche jedoch noch wenige Spuren. Aber auch Hersteller reagieren auf die Veränderungen im Verbraucherverhalten und in der Handelsszene. So gehört das oft als Partnerschaft bezeichnete, fast eheähnliche Verhältnis von Handel und Lieferanten der Vergangenheit an. Aus heutiger Sicht handelt es sich dabei um eine Trennung auf Gegenseitigkeit. Denn einerseits laden Industriemarken den Vertriebsweg Fachhandel nicht so auf, dass dieser seine Positionierung darauf bauen kann. Andererseits kann die kleiner werdende Zahl rein stationärer Fachhändler nicht mehr dafür sorgen, dass Produktanbieter zu Marken heranwachsen bzw. dort aufblühen. Die Symbiose zur beidseitigen Markt-Fitness funktioniert so nicht mehr.
Marken können ihren Erfolg längst nicht mehr primär am Marktauftritt im Fachhandel festmachen. Allein die Kapazitäten drücken mächtig, auch wenn auf hiesigen Fabrikgeländen längst nicht mehr nur bzw. gar nicht mehr produziert wird. Viele dieser Standorte sind vielmehr professionell geführte Handelsflächen geworden – mit Handelsmarketing und Merchandising vom Feinsten, mit fest eingeplanten Umsätzen, die das Herstellerherz besonders erfreuen, weil zumindest ein Teil der Handelsspanne in die eigene Tasche fließt. Und weil Wettbewerb das Geschäft beflügelt, stehen Marken Seit‘ an Seit‘ auf dem Fabrikverkaufsgelände auch der Kollegen, machen gemeinsam aus Shoppen einen Freizeit-Event, für das sich ein Familienausflug lohnt.

Stationärer Neustart einer Händlerin, die im Internet überaus erfolgreich ist. Tisch