···Home ··· Trends ··· Billigheimer – Discountrepublik Deutschland?

Billigheimer – Discountrepublik Deutschland?

Discounter und andere Billigmärkte sind bei Durchschnittsbürgern und auch Gutverdienern salonfähig geworden. Zwischenzeitlich schienen das Motto und die Mentalität für „Geiz ist geil“ an Boden zu verlieren. Doch nun drängen weitere Billigheimer massiv in den Markt und in beliebte Sortimentsbereiche.

(Foto: ©istockphoto.com/ nicoletaionescu)

Qualität ist bei den Verbrauchern wieder gefragt. Das zeigt unter anderem das Engagement im stationären Handel zum Beispiel von Aldi oder Real, sukzessiv Märkte und Warenhäuser zu modernisieren und den Kunden ein verstärktes Einkaufserlebnis zu bieten. Wenngleich hier auch die wachsende Lieferkonkurrenz durch Online- oder Multichannel-Anbieter wie etwa Amazon oder Rewe eine Rolle spielt, haben die Billigheimer immer mehr Zulauf.
Das gilt auch oder gerade bei Artikeln für Haus, Garten und Lebensstil und damit bei Lebensmitteln, Drogerieware, Küchen-accessoires, Haushaltswaren, Elektrogeräten, Dekorations- und Geschenkartikeln, Möbeln, Einrichtungsgegenständen, Lampen, Heimtextilien, Bekleidung, Büro- und Schreibwaren, Spielzeug, Sport- und Freizeitartikeln.

Philipps: Weit verbreitet

Kodi&Co. haben es erfolgreich vorgemacht. Anders ist nicht zu erklären, dass sich nun auch Sonderposten-Anbieter wie Action, Black oder Thomas Philipps mit ihrem Sortiment etablieren. So findet die im Jahr 1986 gegründete Thomas Philipps GmbH & Co. KG aus Bissendorf mit ihren Prospekten nicht nur über die in

Folie eingeschweißten „Einkauf aktuell“ Postwurfsendungen weite Verbreitung, sondern hat sich schon mit 250 Märkten deutschlandweit etabliert. Das Unternehmen aus dem Landkreis Osnabrück fungiert als Einzel- und Großhändler und beschäftigt nach eigenen Angaben über 600 Mitarbeiter in Logistik und Verwaltung an fünf bundesweit verteilten Zentren sowie mehr als 2.500 Mitarbeiter für seine Kommissionäre.
Bei seinem Sortiment mit über 18.000 Artikeln für täglich mindestens 100.000 Endkunden achtet der niedersächsische Anbieter ausdrücklich auf „attraktive Produkte mit einem optimalen Preis-Leistungs-Verhältnis“ und setzt die Kunden mit dem Prospektmotto „Verpassen Sie kein Schnäppchen!“ indirekt unter Druck. Diese Versorgung mit Artikeln des täglichen Bedarfs sei Geschäftsgrundlage und sorge für „ein einzigartiges Sortiment mit ständig wechselnden Angeboten“, verkündet das Unternehmen Thomas Philipps. Dabei arbeitet es auch ausdrücklich mit Markenartiklern und Herstellern zusammen, die Eigenmarken-Produkte etwa unter dem Namen „Grüner Jan“ produzieren.

Action-Markt in Duisburg-Kaßlerfeld: Schnöder Gewerbestandort

Nomen est omen: Action

Noch schneller wächst die niederländische Filialkette Action, die im Jahr 1993 ihren ersten Billigmarkt in dem Ijsselmeer-Städtchen Enkhuizen eröffnete und nunmehr über 900 Märkte im Benelux-Raum, in Frankreich, Deutschland und Österreich führt. Action Nederland B.V. ist erst seit dem Jahr 2009 in der Bundesrepublik aktiv, hat hierzulande aber bereits 164 Filialen. Im vergangenen Jahr wuchs der Gesamtumsatz um 34 Prozent von 1,99 auf 2,87 Milliarden Euro und die Anzahl der Konzernmitarbeiter um 6.000 auf 35.000 Beschäftigte. Zugleich stieg der Umsatz auf vergleichbarer Fläche um 6,9 Prozent – übrigens die in den vergangenen fünf Jahren schwächste Quote.
Bei all dieser Dynamik ist der Name zwar Programm, das offizielle Motto lautet aber „Mehr als Sie erwarten“. Im Gegensatz zur schnöden Eigenwerbung des vorher genannten Mitbewerbers übersetzt die Düsseldorfer Landesniederlassung den Anspruch von Action mit dem Reiz des Überraschenden und einem angeblich „einzigartigen Handelsformat“ für Niedrigpreis-Produkte: „Nur ein Drittel unserer mehr als 6.000 Artikel gehören zum festen Sortiment, das aus 13 Kategorien besteht. Mehr als zwei Drittel unseres Sortiments wechseln ständig. Wir stellen jede Woche über 150 neue Produkte vor.“ Neben den „für sich sprechenden Produkten und Preisen“ werden als weitere Pluspunkte Folgendes genannt: Die „komfortable Einkaufsumgebung“ mit großzügigen Räumlichkeiten, breiten Gängen, niedrigen Regalen und direkten Parkmöglichkeiten sowie die ausreichende Mundpropaganda „ohne aggressive und teure Werbekampagnen“.
Als Unterscheidungsmerkmal zu anderen Sonderposten-Märkten definiert sich das Unternehmen über die breite Akzeptanz „aus allen gesellschaftlichen Schichten“ und von Menschen mit „unterschiedlichen Kaufmotiven, Hintergründen und Denkweisen“. Hintergründig menschelt es auch, wenn Action im Gegensatz zu der meisten Konkurrenz seine soziale Verantwortung in punkto „sicherer und wertiger Produkte“, einer umweltschonenden, nachhaltigen Lieferkette und Ladenausstattung sowie einer arbeitnehmergerechten Führung und Förderung mit Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten heraushebt. Das Unternehmen propagiert sogar sein Gemeinwohl, das nicht nur aus der Unterstützung hilfsbedürftiger Personen und der künftigen Kundengeneration der Kinder bestehen würde: „Unsere Filialen bereichern an ihren Standorten die lokale Vielfalt und Lebendigkeit in Einkaufszentren. (…) Wir sind ein Kundenmagnet: Wie ziehen nicht nur Kunden in unsere Filialen an, sondern auch zu Geschäften in der näheren Umgebung.“

Plakat vor der Nase eines Action-Marktes

Black: Bekanntes Dunkel

Da fragt sich der aufmerksame Marktbeobachter, wie der Mitbewerb da mithalten kann? Das scheinen sich auch die Inhaber von Tedi gedacht zu haben, bei denen zwei vertraute Kooperationspartner mitmischen: Die Firmenreiche von Tengelmann-Erbe Karl-Erivan Haub und von Stefan Heinig, die beide an Kik, Tedi und Woolworth beteiligt sind.
Die beiden – nicht unumstrittenen – Handelsbetreiber aus dem Ruhrgebiet haben nach Beobachtungen von Handelsexperten die neue Filialkette Black mit dem Motto „massiv günstig“ auf die niederländische Konkurrenz angesetzt. Bei der Kette, die mit ihrem bewusst geheimnisvollen Ruf der Öffentlichkeitsscheue von Heinig entspricht und mit Wortbildern wie „dem ersten legalen Schwarzmarkt“, dem „kleinen Schwarzen unter den Discountern“ und dem Hervorheben aus der bunten Masse wirbt, ist dies besonders bei den benachbarten Märkten in Duisburg-Kaßlerfeld augenfällig: Vor der Nase des Action-Marktes weist Black auf seinen nahe Filiale hin, die von starkem Tages- und Kunstlicht erhellt wird.
Nach dem Verkauf der kompletten oder mehrheitlichen Anteile an Supermarktketten wie Kaiser’s Tengelmann oder Plus setzt Tengelmann-Chef Haub gemäß des Geschäftsberichtes 2015 auf „Handelsunternehmen, die in ihrem jeweiligen Markt die klare Nummer eins sind“. Deshalb will der Miteigner wohl auch den Filialbestand von derzeit rund 40 Filialen auf 1.000 Black-Märkte innerhalb der nächsten fünf Jahre ausbauen. Zum Vergleich: Das Aldi-Imperium umfasst hierzulande rund 4.100 Filialen.

Leichter Kontrast: Mäc-Geiz

Eine weitere Marktgröße ist die vor 23 Jahren gegründete Firma Mäc-Geiz. Die Mäc-Geiz Handelsgesellschaft mbH aus dem sächsisch-anhaltinischen Landsberg gehört mittlerweile zur österreichischen MTH Retail Group und führt laut ihrer Internetseite mit über 1.750 Mitarbeitern rund 275 Filialen in Innenstädten und Nahversorgungsgebieten. Der Haushaltsdiscounter schlägt nach eigenen Angaben „die Brücke zwischen der Emotionalität von Kaufhäusern und der Preisrationalität von Discountmärkten“ und präsentiert dazu „im Charakter eines Kleinkaufhauses ein innenstadtrelevantes Sortiment und Waren des täglichen Bedarfs.“ Zum Kernsortiment zählen rund 3.000 Artikel, darunter Produkte der Eigenmarken Scotia und Connor. Das Unternehmen fällt durch den rot-grünen Farbkontrast im Logo auf, wirkt ansonsten aber recht unspektakulär.

Was Handelsexperten sagen

Vor wenigen Monaten half der verschärfte Handelswettbewerb das Medien-Sommerloch zu füllen. Während der Geschäftsführer der BBE-Handelsberatung Joachim Stumpf nüchtern konzedierte, dass Konzepte, die den Preis in den Mittelpunkt stellen, vom Verbraucher gut angenommen würden“, rief die Fachpublikation ’Der Handel’ schon die „Bundesrepublik Discount“ aus und steigerte sich in das Motto „Geiz ist geiler denn je“. Die ’Wirtschaftswoche’ verzeichnete einen harten Kampf „im untersten Handelssegment“, in dem „mit Restposten, Überproduktionen, Billigstartikeln und clever am Weltmarkt vereinbarten Lieferverträgen ein Sortiment für diejenigen zusammenstellt“ würde, die vor allem auf eines schauten: „den Preis“.
Für Markus Hepp von der Unternehmensberatung Boston Consulting füllen
die Billigketten eine Lücke in bestimmten Handelssegmenten und treten dabei als „eine Art Sammel-Discounter“ auf. Der Vertreter des Fachhandels in den Kernbereichen der Trend&Style-Leserschaft, der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Wohnen und Büro (HWB) Thomas Grothkopp, sieht in diesem Geschäftsformat eine „Bedarfsdeckung mit notwendigen und zumeist kleinteiligen Produkten sowie mit gängigen Sortimenten für die Nahversorgung“. Diese korrespondierten mit dem Trend der Urbanisierung, in dessen Rahmen immer häufiger kein Einkauf per Auto gewünscht sei und den Kunden eine funktionale Ladeneinrichtung ausreiche. Aufgrund des wenig emotionalen Einkaufserlebnisses für Kunden sieht Grothkopp in den „Billigheimern“ eher sehr reduzierte Läden, die keine direkte Konkurrenz für das breite und ausgeprägte Angebot an Markenprodukten und Services der Branchenfachhändler darstellen. Dennoch rechnet der HWB-Geschäftsführer damit, dass der stationäre Fachhandel vor allem in weniger attraktiven Städten weiter an Präsenz verliert.
Arnd Westerdorf