Hürden für Frauen im Business
Was würden wir tun, wenn wir keine Angst hätten? Diese Kernfrage stellte Susanne Harring, Geschäftsführerin von De’Longhi Deutschland und Österreich, im Rahmen ihres Vortrags auf der Mission Female X-Change Conference, die am 27. Juli 2024 rund 1.500 Teilnehmer nach Hamburg lockte. Gut zehn Jahre nach dem Erscheinen von Sheryl Sandbergs Bestseller „Lean In“ unterzog Susanne Harring der einstigen Karrierebibel einen Reality-Check. Ihr Resümee: Noch immer sorgen eklatante strukturelle Probleme für die Ungleichstellung von Frauen im Business. Gleichzeitig halten Frauen durchaus Zügel in der Hand und können wichtige Schritte gehen, um die eigene Karriere zu stärken und in Unternehmen positive Impulse für Veränderung zu setzen.
Der Einfluss von „Lean In“
2013 war das Jahr, in dem mit Benedikt erstmal ein Papst abdankte und ein neuer gewählt wurde, in dem Edward Snowden die NSA-Spionageaffäre aufdeckte und in dem Pharrell Williams mit seinem Hit-Song alle „Happy“ machte. Es war auch das Jahr, in dem „Lean In“ von Sheryl Sandberg erschien, das schnell als die Karrierebibel für Frauen galt – und es war das Jahr, in dem Susanne Harring selbst einen wichtigen Schritt in ihrer Karriere machte und für einen Vertriebsjob bei Philips nach Amsterdam wechselte. „Ohne ‚Lean In‘ hätte ich diesen wichtigen Schritt vielleicht gar nicht gemacht. Deshalb finde ich es wichtig, seine zentralen Thesen heute noch einmal anzusehen und einem ganz persönlichen Realitäts-Check zu unterziehen, denn welche Hürden Frauen auch zehn Jahre später noch immer überwinden müssen, erlebe ich tagtäglich“, so Susanne Harring.
Verbindliche Frauenquoten essenziell, um Biases zu überwinden
Sheryl Sandberg konstatierte, Frauen fehle allzu häufig der Wille zur Führung und dass es wichtig sei, einen Platz am Tisch zu bekommen, um die eigene Karriere voranzutreiben. „Der Mythos, dass Frauen weniger Ambitionen an den Tag legen, ist einfach falsch und inzwischen wissenschaftlich widerlegt“, so Susanne Harring. „Frauen sind mitnichten weniger ambitioniert als Männer, aber ambitionierte Frauen werden abgestraft!“ Das sieht sie selbst häufig, zum Beispiel in Bewertungsprozessen. Attribute, die bei Männern positiv konnotiert sind, werden Frauen negativ ausgelegt. Dieselben Eigenschaften, die Männer in ihrer Karriere fördern, können die Karriere einer Frau behindern. „Verbindliche Frauenquoten sind in Unternehmen deshalb essenziell, denn nur wenn Frauen paritätisch involviert sind, können Biases hinterfragt und Leistungen gerecht eingeschätzt werden.“
Nicht aus Angst die Karriere beenden, bevor sie überhaupt begonnen hat
Susanne Harring sieht aber auch die Frauen in der Verantwortung, ihren Karrieren nicht selbst Steine in den Weg zu legen. „‚Don’t leave before you leave!‘ dieser Impuls aus Sheryl Sandbergs Buch ist heute so wahr, wie vor zehn Jahren. Frauen bremsen sich häufig selbst aus, aus Angst nicht qualifiziert genug zu sein, tradierte Karrierewege zu verlassen oder weil sie langfristig eine Familie planen. Doch was würden wir tun, wenn wir keine Angst hätten? Mein Appell an Frauen lautet deshalb: Lean in! Bringt euch voll ein und sichert euch mit Mut einen Platz am Tisch!“
Frauen müssen den „Seat at the Table“ einfordern
Als Beispiel bringt sie sich unter anderem selbst an, da Harring durchaus damit haderte, ob Beziehung und Familienplanung durch ihren Wechsel nach Amsterdam beeinträchtigt werden würden. Sie plädiert dafür, sich nicht durch Unplanbares ausbremsen zu lassen, sondern spannende Gelegenheiten zu ergreifen, wenn sie sich bieten. Zu ihrer Ernennung als Geschäftsführerin von De’Longhi Deutschland und später Österreich sagt sie: „Hätte ich nicht aktiv die Hand gehoben, wäre ich heute vermutlich nicht Geschäftsführerin. Aber ich saß bereits am Tisch und wusste, welche Aufgaben mit diesem Posten einhergehen – und ich wusste, dass ich das kann und nur den Mut haben muss, die Hand zu heben.“
Mehr Parität in Care Arbeit und Elternzeit nötig
Anders als Sheryl Sandberg sieht Susanne Harring Vorbilder und Mentor als eine wichtige Orientierung und Inspirationsquelle. Sich allein darauf zu verlassen, empfiehlt sie jedoch nicht. Stattdessen konstatiert sie mit Blick auf die Entwicklungen bei unbezahlter Care Arbeit, Elterngeld und Elternzeit: „In den letzten zehn Jahren hat sich in der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit in Partnerschaften kaum etwas verändert. Das sehe ich selbst bei uns im Unternehmen, wo bislang von 17 schwangeren Frauen nur eine einzige paritätische Elternzeit eingereicht hat und wir gerade zum ersten Mal einen Mann haben, der ein halbes Jahr nimmt und seiner Verantwortung gerecht wird. Es ist mir wichtig, diese Entwicklung zu unterstützen und ein positives Vorbild zu sein, denn wir bei De’Longhi wollen Fortschritt aktiv leben.”