„Der Handel muss zum Fan des Kunden werden!“
Aus den USA kommt mit Showfields ein Ladenkonzept, das sich als „interessantester Store der Welt“ bezeichnet. Über den neuen Store und aktuelle Trends im Retail sprachen wir mit Frank Rehme, der zu den Vordenkern im Bereich Innovation und Zukunftsgestaltung im Bereich Handel gehört.
Wie sind Sie auf den interessantesten Store der Welt aufmerksam geworden?
Da die größte Handelsmesser der Welt, die NRF Retail’s Big Show jedes Jahr im Januar in New York stattfindet, nutze ich die Gelegenheit, um mir in der Stadt die neuesten Retail-Trends anzuschauen. Denn New York ist eine der Städte, in der sehr viel ausprobiert wird. Als dann die Message bei mir ankam, dass mit Showfield in New York der beste Store der Welt eröffnet haben soll, war ich natürlich neugierig – zumal er in dem super trendigen New Yorker Stadtteil Brooklyn Williamsburg stand, dem Prenzlauer Berg von New York.
Zunächst habe ich den Laden fast übersehen, was aber durchaus zum Konzept solcher Stores gehört, die entdeckt werden möchten. Das war auch schon bei einem Vorläufer von Showfields, der „The Story“ hieß, so. Alle drei Monate wurde in diesem Laden das Gewand geändert, das heißt sowohl der Ladenbau, als auch die Sortimente. Das hat zunächst gut funktioniert, da große Sponsoren dahinter standen, heute gibt es den Laden nicht mehr.
Bei Showfields handelt es sich um eine Art Entdecker-Store mit einem sehr breiten Sortiment. Es handelt sich hier um eine Art begehbaren Online-Shop, von dem aus man sich die Sachen nach Hause schicken lassen kann. Ein ähnliches Prinzip wie das AufHaus in Ahaus mit dem Unterschied, dass Showfields noch ein kleines Lager hat, so dass man einige Produkte auch direkt mitnehmen kann. In diesem Store hat beispielsweise auch Lush die erste Präsenz außerhalb Europas, wobei der Auftritt nicht so fulminant ist, wie man es von den Lush-Stores in Deutschland gewohnt ist. Bei Showfields findet man von Schuhen für Hunde bis zum Glasdildo alles, was das Herz begehrt. Der Impulskauf im mittleren bis oberen Segment steht hier im Fokus. So wird beispielsweise auch Kunst in limitierten Auflagen angeboten. Die Produkte sind auf kleinen Inseln sehr schön präsentiert. Alles in allem muss ich aber sagen, dass Showfield für mich nicht der beste Store der Welt ist. Da gibt es Beispiele, sogar vor meiner eigenen Haustüre hier in Düsseldorf, welche dieses Prädikat eher verdient hätten.
Sind diese Art Stores denn überhaupt langfristig angelegt?
Nein, man kann davon ausgehen, dass viele dieser sehr innovativen Konzepte nach ein paar Jahren aufgegeben werden. Ich habe früher bei Metro den Innovationsbereich geleitet. Da habe ich mich um Future Stores gekümmert. Der Zweck dieser Geschäfte war es nicht, einen Store zu entwickeln, der genau so eins zu eins im echten Leben multipliziert werden kann. Der Zweck der Future Stores war, herauszubekommen, welche Elemente man später übernehmen kann. So muss man auch Showfield sehen.
Was raten Sie dem deutschen Handel?
Im Hinblick auf Showfields würde ich mir auch in Deutschland wünschen, dass viel mehr in Anlassbezügen gedacht wird. Grundsätzlich sollte der deutsche Handel die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellen. Es geht nicht darum zu erklären, was für tolle Produkte man hat, es geht darum, dem Kunden zu verdeutlichen, wie das Leben mit den Produkten, die der Handel verkauft, besser wird. Es gilt, die Zukunft zu antizipieren! Denn ganz ehrlich, wir sind doch an der maslowschen Bedürfnispyramide so weit oben angelangt, dass wir im Grunde genommen fast nichts mehr brauchen. Man muss schon einen Grund liefern, warum sich der Kunde überhaupt noch ein neues Produkt kaufen sollte. Darum geht es.
Und das wären?
Zum Beispiel LeMoos, ein Geschäft für Brautkleider in Düsseldorf. Hier wird die komplette Vertikalisierung so genial durch gespielt, dass das für mich tatsächlich ein Kandidat für den deutschen Handelspreis wäre. Die Brautkleider von LeMoos kann man sich selbst konfigurieren. Dank patentierter Verbindungsstücke werden die im Ausland gefertigten Teile zu einem perfekten Kleid. Die Inhaberhin von LeMoos hat damit nicht nur die gesamte Supply Chain unter Kontrolle, sondern auch die beste Shopper Experience, die ich je gesehen habe.
Was das Thema Digital Signage betrifft, ist auch der Laden von Lancome in Paris unglaublich fortschrittlich. Da muss der New Yorker noch ein bisschen üben. Nur eine große Auswahl an Produkte zu haben, die man besonders inszeniert, das reicht nicht. Gut gemacht ist dagegen der anlassbezogene Auftritt. Das Thema eines schönen Abends mit Freunden, wird an einem elegant gedeckten Tisch mit passenden Weinen präsentiert. Das ist wirklich gut gelungen.
Gibt es Sortimentsbereiche, die im stationären Handel keine Daseinsberechtigung mehr haben?
Alles was die klassische Versorgung und den täglichen Bedarf angeht, wird aus dem stationären Handel verschwinden. Aber überall dort, wo es um einen Impulskauf geht, indem der Mensch überzeugt wird, ein Produkt zu kaufen, was er vorher nicht auf dem Schirm hatte, dort hat der stationäre Handel seine Daseinsberechtigung. Das sind viele kreative Produkte, die das Leben interessanter, schöner oder spannender machen.
Und wie sehen Sie die Zukunft des Handels?
Ich sehe die Zukunft des Handels positiv, aber nur, wenn der Händler es auch richtig macht. Es gibt viele Händler, die wissen, wie man Menschen begeistert. Damit das gelingt, muss man allerdings die Bedürfnisse und Wünsche des Menschen in den Mittelpunkt stellen. Aber das kann der Handel nicht mit den Rezepten aus den neunziger Jahren machen. Da muss viel Leidenschaft dabei sein. Und die Händler, die das machen, haben ein ganz anderes Problem: nämlich ihr Wachstum zu managen, weil sie andere Leute brauchen, die sie so nicht hatten. Und darum geht es. Wir müssen die Leute für die neuen Dinge im Handel neu ausbilden. Die ganzen Handelsbedürfnisse müssen an die Ausbildungspläne angepasst werden.
Victorias Secret NYC
An welche Ausbildung denken Sie in diesem Zusammenhang?
Es wäre wichtig, dass in der Ausbildung auch das Thema der Neurowissenshaft mit einfließt. Es geht darum, zu verstehen, wie Kaufentscheidungen im Kopf eines Menschen entstehen und wie man den Menschen dazu aktiviert, ein Produkt zu kaufen. Das ist die Aufgabe!
Was wäre nun Ihr abschließendes Statement?
Der Handel muss nicht die Kunden zu Fans machen. Das funktioniert nicht, das konnte vielleicht Steve Jobs mit Apple. Mein Statement ist: Der Handel muss Fan seiner Kunden sein, dann wird er auch erfolgreich!