Sehr bewusst legte das Talents-Areal im Rahmen der Ambiente in Frankfurt auch in diesem Jahr den Fokus auf die handwerkliche Fertigung. Dabei setzen Designer der Gegenwart häufig auf traditionelle Fertigungsmethoden, verändern diese und schaffen Gegenstände für die Anwendung von morgen.
3D-Druck: Babette Wiezorek von Additive Addicted arbeitet mit keramischen Werkstoffen
„Eine der größten Herausforderungen für die kommende Generation besteht darin, zukunftsfähige Konzepte für die aktuellen strukturellen und gesellschaftlichen Veränderungen zu entwickeln. Umwelt, Mobilität, Urbanisierung. Wie gehen wir mit Transformation um und welche Produkte liefern Antworten?“, fragt Nicolette Naumann. Antworten darauf gaben 16 Talents im Bereich Dining und 21 Talents im Bereich Lifestyle auf den beiden Talents-Arealen der Ambiente im Februar.
Alltagstauglich
Designerin Annika Sparkes etwa zeigte mit der Serie Roadie modulare Vasen, die für sich als Skulptur wirken, gleichzeitig aber eine Vase sowohl für rund oder lang gebundene Blumensträuße sind. Tricherförmige Aufsätze auf farbigen Unterteilen mit zwei verschieden großen Öffnungen machen es möglich und verkürzen so die ewige Suche nach der passenden Vase. Der Glasbläser Michael Schwarzmüller aus Karlsruhe hingegen konzentriert sich auf die Fertigung von Trinkgefäßen, Schälchen und Tellern aus Borosilikatglas, die unter anderem in der gehobenen Gastronomie für die Foodpräsentation zum Einsatz kommen. So nahm beispielsweise der Gastronomielieferant Zieher das Karlsruher Design mit in sein Sortiment auf.
Petra Hilpert gründete mit soprana Design im Jahr 2007 ein Label für Produktdesign und entwickelt Gebrauchsgegenstände aus Glas, Porzellan und Keramik häufig in Kombination mit Holz, Metall, Filz oder Silikon. Ihre dishi Porzellanschale wurde 2016 mit dem German Design Award ausgezeichnet. Auf der diesjährigen Ambiente waren Porzellandosen mit Deckeln aus Holz oder Kork ihre Hauptdarsteller. Die Berliner Designerin Claudia Schoemig zeigte Porzellangefäße, deren Oberflächen wirkten, als seien sie mit zarten grafischen Bleistiftzeichnungen überzogen. Die Motive sind jedoch dauerhaft in die Porzellanoberfläche eingeschmolzen und Lebensmittel-, spülmaschinen- und mikrowellengeeignet.
Historische Bezüge
Auch wenn sich die Produkte von Antonella Cimatti, Barbara Hertwig und des jungen portugiesischen Labels Bisarro in der Herstellung und optisch stark von einander unterscheiden, so haben sie doch eines gemeinsam: Sie alle haben einen Bezug zu Jahrhunderte alten, traditionellen Porzellan- und Keramik-Herstellungsverfahren. Antonella Cimatti statmmt aus Faenza, Italien, wo um das 16. und 17. Jahrhundert Crespines, fein geformte Majolikaschalen für europäische Königshäuser hergestellt wurden, die zum Teil auch mit durchbrochener Gestaltung imponierten. Die italienische Designerin nimmt diese Formensprache wieder auf, entwickelt dafür in jahrelanger Arbeit aber eigene Techniken, die sie heute in Workshops weitergibt. Ihre Werke wirken trotz des Materials sehr filigran und leicht. Auch das Porzellan von Design Barbara Hertwig steht für fein gearbeitetes, auf der Töpferscheibe gedrehtes, Porzellan, das auf traditionelle Herstellungsverfahren setzt. Die Berliner Designerin entwickelte eigene Craqueléglasuren und Glanztonengoben (terra sigillata) selbst. Die Technik der Glanztonengobe hat eine jahrtausendealte Tradtion und war in vielen Erdteilen in Europa beheimatet. Das junge Label Bisarro schließlich lässt die schwarze Keramik aus Portugal wieder aufleben. Eine Technik die im 17. Jahrhundert in der Gegend um Vila Real entstand und im Jahr 2016 in die Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen wurde. Die Formensprache übersetzt die traditionelle Technik in die Moderne.
Mit zwei jungen Labels schließt sich der Kreis: Die Objekte aus Beton und Recyclinglas von Prasklo und die 3D-Objekte von Additive Adicted sind voll und ganz Kinder der Gegenwart.
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Die Vasen Roadie von Annika Sparkes sind ein modulares System in skulpturaler Optik
Die Serie Medusa/Cherry der Berliner Designerin Barbara Hertwig