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Role Models: Roland Schneider

Seine Bescheidenheit ist fast noch legendärer als sein Erfindergeist. Roland Schneider hat sein Leben nicht nur den Schreibspitzen verschrieben, sondern auch seiner Leidenschaft für die IT und dem Umweltschutz.

Der Meister der Spitzen

VITA

Roland Schneider studierte Maschinenbau sowie Wirtschaftsingenieurwesen Fertigungstechnik und Informatik in Karlsruhe. Nach mehreren Auslandsaufenthalten in Ghana, Uganda, Brasilien, USA und Frankreich schrieb er 1975 seine Diplomarbeit über mittlere Datentechnikanlagen. Als sein Vater schwer erkrankte, musste er im selben Jahr in den Familienbetrieb eintreten, deren alleinige Geschäftsführung er 1977 übernahm. 2010 übergab er die Geschäftsführung an Christian Schneider und Frank Groß.


Was waren Ihre Ziele für das Unternehmen Schneider, als Sie 1977 die alleinige Geschäftsführung übernahmen?
Wir hatten erhebliche Probleme mit der Entwicklung der sogenannten Rollerballs, die von Japan auf die Weltmärkte strömten. Die gesamte Branche versuchte damals, die Plastikrollerspitzen nachzubauen, deren nicht beherrschbare Technik viele zur Aufgabe zwang. Die Entwicklung begann bei Schneider 1973 und ich bin stolz darauf, dass wir bis heute, als einer von maximal noch drei Herstellern, auf qualitativ hohem Niveau mit dieser Technik überlebt haben. Bei mir entwickelte sich daraus die Freude am Weiterentwickeln vieler neuartiger Schreibspitzen. Ich hatte das Glück, drei hochtalentierte Feinmechaniker in unserem Haus zu haben und in Mittenwald mit einer kleinen chemischen Fabrik zu kooperieren, welche binnen weniger Jahre die Pastenherstellung perfektionierte. Schneider hat über viele Jahrzehnte das breiteste Spitzensortiment hergestellt.

Die „gute Schneider Mine“ wurde zu einem Synonym für perfektes Schreiben. Was zeichnete Ihre Minen aus?
Das A und O für die Schreibspitzenentwicklung sind hochpräzise Drehspezialmaschinen und die erwähnten Präzisionsmechaniker. Die Spitzenmaschinen haben wir in den 50er Jahren selbst entwickelt und gebaut. Ab den 60er Jahren hat die Schweizer Firma Albe in Lugano unser Fertigungsprinzip übernommen und weiterentwickelt, was wir mit unserer limitierten Mannschaft gar nicht hätten leisten können.

Nach dem Mauerfall haben Sie 1991 den Übernahmevertrag der Werke des Füllerproduzenten Heiko unterzeichnet. Wie kam es dazu?
Schon in den 70er Jahren hatten wir zu dem kleinen Kugelminenhersteller Garant in Leipzig Kontakt, an den wir von Zeit zu Zeit Gebrauchtmaschinen verkauften. Als die Mauer gefallen war, besuchte uns der Geschäftsführer der Firma im Schwarzwald. Bei diesen Gesprächen wurde mir klar, dass die Firma Heiko, die damals mit Rotring verbandelt war, wesentlich besser zu uns passen würde. Auf der Paperworld in Frankfurt 1991 entschloss sich Rotring, von einem tieferen Engagement bei Heiko Abstand zu nehmen. In den letzten Messestunden kam daraufhin eine Frau auf mich zu, um mit mir die Möglichkeit des Vertriebs von Heiko-Produkten zu besprechen. Ich erfuhr, dass das Unternehmen der Treuhand gehörte. Im März 1991 legte ich auf der Rückfahrt von der CeBIT in Hannover einen Zwischenstopp in Wernigerode ein. In einem dreistündigen Gespräch mit den kommissarischen Leitern von Heiko festigte sich in mir die Überzeugung, dass hier etwas auf- und ausgebaut werden könnte – wenn man nur ausreichend Kapital zur Verfügung stellt. Es war das spezielle Interesse an der Reglertechnik für Füllhalter und Rollerballs, den sogenannten Liquidink-Rollern, die mich das Abenteuer starten liessen – sicher aber auch ein gewisser Patriotismus: Denn ich war der Überzeugung, dass die neuen Bundesländer vor allem durch private Initiativen, aber auch staatliche Investitionen massiv unterstützt werden müssten. So wurde Heiko als eigenständiger Betrieb mit praktisch allen betrieblichen Funktionen vor Ort weitergeführt. Lediglich die Buchhaltung und das Rechnungswesen wurden in Tennenbronn gemacht. Auch wenn es teuer war, stehe ich heute noch hinter dieser Strategie, die der Mitarbeiterschaft dort einen großen Stolz in die eigenen Fähigkeiten vermittelte. Binnen drei Jahren konnten durch den konsequenten Ausbau in eine moderne Kunststoffverarbeitung gleichwertige Ergebnisse wie in Tennenbronn erzielt werden. Lediglich die hochspezialisierte Fertigung von kugelbasierten Schreibspitzen musste im Schwarzwald verbleiben

Im Jahr 2007 haben Sie den „Slider“ auf den Markt gebracht, der dank „Viscoglide-Technologie“ ein besonders weiches Schreibgefühl garantiert. Wie entstand diese Erfolgsgeschichte?
Schon im Jahr 1993 kamen die ersten Gelschreiber aus Japan auf den Markt. Auch wir versuchten diesen Trend aufzunehmen und eigene Produkte zu entwickeln – allerdings mit geringem Erfolg. Über viele Jahre fanden wir keinen Ansatz, unsere Schwierigkeiten mit der Luftblasenentwicklung der Pasten bei Lagerhaltung zu überwinden. In den frühen Jahren des neuen Jahrtausends konzentrierten sich die Entwicklungsbemühungen auf niedrigviskose Pasten, die aber höherviskos als Geltinten waren. Da diese ein sehr weiches und flüssiges Schreiben ermöglichten, waren sie unser Umweg als Alternative zu Geltinten. Dennoch haben wir die Geltinten nie ganz aus dem Auge verloren. Vor zwei Jahren ist es uns gelungen, den Herstellungsprozess der Geltinte so zu verbessern, dass die damaligen Probleme ausgeschaltet werden konnten. So liefern wir heute interessante Mengen von Gelprodukten nach China, wo Gel eine große Rolle spielt.

Woher kommt Ihre hohe Affinität für Technologie?
Ich selbst bin kein genialer Techniker oder Praktiker, habe ich doch den größten Teil meines Lebens im Büro verbracht. Es waren die Mikrocomputer und die Mikroprozessorentechnik, welche mich schon früh beschäftigten. Eigentlich hätte ich gerne eine Karriere als IT Fachkraft eingeschlagen, die frühe Krankheit meines Vaters zwang mich aber Lehrgänge über Betriebswirtschaft und Fertigungstechnik zu absolvieren. Dennoch habe ich in der Schreibspitzenfertigung ein reiches Betätigungsfeld gefunden und die Freiheit genossen, viele Versuche mit Spitzen und Microcomputern zu verfolgen, die teilweise gar nicht zum eigentlichen Kern der Firma gehörten. Vor allem die Entwicklungen im Silicon Valley habe ich intensiv verfolgt. Höhepunkt war über mehrere Jahre ein Kontakt zur Penplottersparte von Hewlett Packard in San Diego, an die wir einige Millionen Plastikrollerspitzen lieferten. Dies führte mich zu vielen Firmen in den USA und Japan. Leider wurde die Penplottertechnik durch die Tintenstrahltechnik Anfang der 90er Jahre abgelöst.

Der Kugelschreiber Slider Edge (links) und der Tintenroller Breeze

Umweltschutz liegt Ihnen besonders am Herzen. Bereits 1998 ließ sich Schneider freiwillig von dem, von der EU damals neu ins Leben gerufenen, Umweltmanagementsystem EMAS zertifizieren. Wie kam es dazu?
In den Jahren 1994 bis 1996 geisterte durch die Medien eine erhöhte Wahrnehmung der Umweltproblematik. Unser Außendienst berichtete, dass es bald nicht mehr möglich sein wird, an Behörden und andere staatlichen Stellen unsere Produkte zu verkaufen ohne glaubwürdige Darstellung der eigenen Umweltschutzaktivitäten. Qualität lässt sich durch das Produkt selbst darstellen, umweltgerechtes Verhalten und nachhaltige Produktentwicklung nur durch eine glaubwürdige Zertifizierung anerkannter Prüfinstitute. Daher entschloss ich mich, einen Qualifizierungsprozess anzustossen, um dann im Jahre 1998 die erste Zertifizierung nach der Verordnung EMAS zu absolvieren. In der Vorbereitungszeit bildeten wir einen betriebsinternen Umweltkreis, der Schwachstellen identifizierte und deren Eliminierung durchführte. Inzwischen sind wir im dreijährigen Rhythmus schon acht Mal zertifiziert worden. Diese nachhaltigen Maßnahmen haben auch zu einem positiven Image geführt.

Welche Produkte von Schneider begeistern Sie heute noch?
Wir haben seit den frühen 80er Jahren viel auf gutes Design gesetzt. Wir lernten talentierte Designer kennen, die schon damals mit 3D-Modelling-Software arbeiteten. So sind meine Favoriten heute der Rave Kugelschreiber, der Ray Füllfederhalter, der Rollerstift Breeze und der Reglerstift Business One sowie die Slider Edge Stifte. Dabei arbeiteten wir hin und wieder mit frog design, der Firma des legendären Apple Designers Hartmut Esslinger aus Altensteig im Schwarzwald, einem persönlichen Freund von Steve Jobs, zusammen.

Was geben Sie der jungen Generation mit auf den Weg?
Die Welt tickt heute wesentlich anders als noch zu meinen Frühzeiten und auch der frühen Jahre des neuen Jahrtausend. Marketing spielt heute eine größere Rolle. Dennoch habe ich meinen Nachfolgern immer wieder ans Herz gelegt, dass die Basis des Erfolgs immer noch eine gute und seriöse Produktentwicklung ist. Ein schlechtes Produkt lässt sich auf Dauer auch nicht mit bestem Marketing verkaufen. Auch sage ich immer wieder, dass Aufgeben nicht meine Grundhaltung war. Man sollte das meiste, das heißt die Kernkomponenten der eigenen Produkte, sofern wirtschaftlich einigermaßen vertretbar, selbst beherrschen ohne zu vielfältige Abhängigkeiten. Daraus entstehen auch viele neue eigene Ideen und Erkenntnisse. Was übertriebene Abhängigkeiten bedeuten, erfahren wir gerade heute, eine totale Unabhängigkeit lässt sich aber nicht herstellen.

schneiderpen.com


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