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Pop-Up-Stores – Überraschungs- und andere Effekte

Pop-Up-Stores sind ein originelles und effizientes Mittel für Hersteller und Händler, auf sich und ihre Produkte aufmerksam zu machen. Die Kunden freuen sich wiederum über ungewöhnliche und abwechslungsreiche Angebote. Nun etablieren sich auch solche Konzepte im Küchenbereich.

Bunt, originell und überraschend: Pop-Up-Stores bieten allen Beteiligten einen Mehrwert (Fotonachweis: Istockphoto.com/Nicola Ferrari)

Mit der radikalen Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft halten viele englische Begriffe Einzug in die deutsche Sprache. Eines dieser Anglizismen ist das Wort „pop-up“, das im Englischen das Erscheinen oder aus-dem-Boden-Schießen einer Sache meint. Es umschreibt vor allem das plötzliche Auftauchen und damit einen Überraschungseffekt.
Dieser Effekt fand sich zunächst bei der steigenden Popularität des Personal Computers mit den aufspringenden Werbeeinblendungen auf der PC-Benutzeroberfläche, den Pop-Ups. Seit geraumer Zeit ist im Handel auch die Rede von „Pop-Up-Stores“. Der „Pop-Up-Verkauf“ – oder Kurzzeitladen – ist laut Online-Lexikon Wikipedia „ein kurzfristiges und provisorisches Einzelhandelsgeschäft, das vorübergehend in leerstehenden Geschäftsräumen betrieben wird.“ Demnach kann eine Geschäftsfläche an einem Tag noch den Pop-up-Verkauf beherbergen und einen Tag oder wenige Wochen später bereits wieder anderweitig genutzt sein. Ein solches Konzept ist noch aus den Tagen bekannt, als zum Beispiel die meist aus den Dolomiten stammenden Inhaber von italienischen Eisdielen nach der wärmeren Saison für ein halbes Jahr in die Heimat zurückgingen und derweil ihre Ladenlokale an branchenfremde Händler verpachteten.

Nachdem sich auch bei den Eisdielen die Zeiten geändert und diese mittlerweile ganzjährig geöffnet sind, gelten nun die Modelabels Vacant des Kaliforniers Russel Miller und Comme des Garçons der Japanerin Rei Kawakubo unabhängig voneinander als Vorbilder oder Initiatoren des modernen „Pop-Up-Stores“-Konzepts.

Andersartige Dynamik

Im Jahr 2014 quartierte sich Comme des Garçons fernab etablierter Läden zunächst in Berlin in einer ehemaligen Buchhandlung ein, deren Inneneinrichtung beibehalten und um weitere Second-Hand-Möbel ergänzt wurde. In dieser Atmosphäre sollte unter anderem das Produkt im Mittelpunkt stehen und nicht das Interieur. „Die Idee ist, losgelöst vom Saisondenken und allen anderen Vorschriften für eine begrenzte Zeit außergewöhnliche Waren in einer außergewöhnlichen Umgebung zu präsentieren“, betonte die Berliner Geschäftsleitung.
Es war zugleich der weltweit erste „Guerrilla-Store“, dessen Manager das Konzept mit den Aussagen „Nichts steht still – nur das Konzept und die Strategie bleiben dieselbe. Genau wie Guerilleros, die immer um Freiheit kämpfen, aber ihre Taktik währenddessen verändern“ und „Wir tauchen auf aus dem Untergrund und verschwinden wieder“ erklärten. Der deutsche Guerrilla-Store des japanischen Designerlabels ist übrigens nach einem Jahr weitergezogen und hat in der Folgezeit nicht nur im eigenen Unternehmen weltweit zahlreiche Nachahmer gehabt.
Die temporären Ladeneinheiten bieten in Zeiten einer radikal geänderten Handelslandschaft und eines immer härteren Verdrängungswettbewerbs einige Vorteile: Neben der unkonventionellen wie spektakulären Produktinszenierung machen sich die Stores eine künstliche Verknappung zunutze, die den Jagdinstinkt der Konsumenten durch zufällige Entdeckung in einer unerwarteten Umgebung oder durch gezielte Trendorientiertheit über Insidertipps, Handzettel oder soziale Netzwerke bedient. „So wird die Einzigartigkeit des Konzepts aufgrund eines begrenzten Informationszugangs über den Store hervorgerufen. Der Store, seine Produkte und das Wissen darüber erhalten einen Exklusivstatus, der zugleich eine Abgrenzung von anderen Stores, Produkten und Nicht-Wissern erzeugt“, heißt es in einem Bericht der Vertriebs-Fachpublikation „Absatzwirtschaft“, der sich umfassend mit dem Phänomen auseinandersetzt.  

Weinkult 24113 und Earlybird: Temporäre Präsentationen erreichen bei Papier Fischer die richtigen Zielgruppen

Zugleich erzeugt das Prinzip nach der deutschen Redensweise „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“ und dem Handelsmotto „First come, first serve“ bei den Kunden eine Dringlichkeit, die Kaufentscheidungen unterbewusst und emotional beinflusst, und zusätzlich ein besonderes Einkaufserlebnis sowie einen Impuls zum Wiederkauf schafft.
Die Betreiber von Pop-Up-Stores profitieren aufgrund der übergangsweise leerstehenden Verkaufsräume, der Randlagen, kurzen Mietfristen und geringen Investitionen von überschaubaren Kosten insbesondere für Miete und Werbung. „Gerade kleinere Unternehmen und Start-ups sammeln so wichtige Daten, um beispielsweise ein Geschäftsmodell zu validieren, ein neues Produkt oder Konzept zu testen und potenziellen Kunden auf Augenhöhe zu begegnen“, heißt es bei der Online-Plattform GoPopUp.com.
Pop-Up-Stores sind mittlerweile auch im Bereich von Küchenprodukten und Lebensmitteln etabliert. So hat schon das US Potato Board, die US-amerikanische Organisation der einheimischen Kartoffel-Lobby, mit einer solchen Aktion während des „Thanksgiving“-Erntedankfestes landesweit große Aufmerksamkeit auf die Erdknolle als gesundes Lebensmittel gelenkt.
In Deutschland bieten spezielle Vermietungsplattformen, Konzeptentwickler und Vermarkter über eigene Onlineportale ihre Dienste an wie zum Beispiel Brickspaces, EventInc, HalloBiz, PopUpMyBrand und Store2Be. Über die letztgenannte Plattform für Aktions- und Verkaufsflächen lassen sich ausdrücklich „Store-in-Store-Flächen mit garantierter Kundenfrequenz“ buchen. Zu den Referenzen zählen das Stuttgarter Kaffee-Start-up Earlybird, der Hamburger Biolebensmittel-Lieferant FrischePost und das Weingut Weinkult 24113 aus dem hessischen Rheingau. Sie haben temporäre Verkaufsstände in bekannten, branchenfremden Ladengeschäften wie etwa dem PBS-Händler Papier Fischer in Karlsruhe eingerichtet. Hier konnten sie der passenden Zielgruppe ihre Produkte und mit dem Pop-Up-Auftritt buchstäblich auch ihre frischen Ideen präsentieren.
„Einzelhändler erschließen sich eine zusätzliche Einnahmequelle und begeistern ihre Kunden durch Abwechslung im eigenen Geschäft. Herstellermarken erhalten durch uns wiederum die Möglichkeit, ihre Produkte an Orten zu präsentieren, wo sie bislang noch nicht vertreten sind, aber ihre Kundengruppen erreichen – zum Beispiel in Fitnessstudios oder Shoppingcentern“, sagt Store2Be-Geschäftsführer Dr. Marlon Braumann gegenüber KitchenTrend.

Passende Ladenbauelemente beim Fissler Pop-Up-Store am Frankfurt Airport (Foto: Fissler GmbH)

Kanäle und Trends

Und mehr als dies: Michaela Jonas, Steuerberaterin und Vorsitzende der Werbegemeinschaft City-Offensive Dormagen e. V. (CiDo), sieht in den Pop-Up-Stores auch ein Mittel, um die Einkaufsstraßen ihrer rheinischen Heimatstadt zu beleben und „den lokalen Handel intelligent mit dem Onlinehandel zu verbinden“. Michaela Jonas verweist hierbei auf erfolgreich umgesetzte Konzepte in anderen Städten, aus denen beide Seiten – Internetanbieter sowie stationäre Händler und Innenstadt-Initiativen – ihren Nutzen ziehen können, indem einerseits Online-Marken stationäre Standbeine bekommen und andererseits der Leerstand von Ladengeschäften reduziert werden kann. Zudem könnten Einzelhändler ihre Fläche mit weiteren attraktiven Marken teilen und Mieteinnahmen erzielen, so die CiDo-Vorsitzende.
Dieses Beispiel zeigt, dass sich der Bereich der Pop-Up-Stores neu erfindet. Laut der internationalen Handels-Leitmesse Euroshop, die von der Messe Düsseldorf organisiert wird, zeichnen sich zwei Branchentrends ab: „Zum einen Kooperationen, bei denen eine Marke ihr Angebot mit denen anderer Markenanbieter verschmelzt und so einen Ort schafft, an dem das ‚Ganze größer als die Summe seiner Teile ist’“ und „zum anderen, dass Pop-Up-Stores zunehmend auch im hochwertigen Genre auftauchen.“
Arnd Westerdorf