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POS: Verändertes Verbraucherverhalten

Selbst ist der Kunde, beobachtet die Handelsszene mit Blick auf das veränderte Verbraucherverhalten und unterstützende Technologien. Diese müssen kein Fluch sein, sondern können stationäre Händler entlasten und ihre Kernaufgaben wieder fördern.

Symbolisch: Die Akropolis kann als Sinnbild für den Handel dienen (Foto: Fingalo/www.wikimedia.org)

Mit dem Handel verhält es sich fast wie mit der Akropolis: Die einstmals stolze Trutzburg ist heute eine Baustelle und wird von einem veränderten, staunenden Publikum besiedelt. Es gibt aber auch einen Unterschied zur Wiege der Demokratie und der damit verbundenen Freiheit: Während die Zeit in der Athener Oberstadt deutlich ihre Spuren hinterlassen hat und die griechische Wehranlage mit ihren Fragmenten nun ihrer Funktion beraubt ist, hat der stationäre Handel noch die Chance auf einen wirksamen Wandel.
Dabei bekommen sowohl Händler als auch Kunden neue Freiheiten an die Hand. Die Verbraucher handeln bei ihren Bestellungen und Einkäufen immer selbstbewusster und individualistischer. Dabei wird das Verhalten von digitalen Hilfsmitteln wie Smartphones und Tablets gesteuert, die den Nutzern neue Möglichkeiten bieten und sich zu Alleskönnern entwickeln. Wie es in einer aktuellen Vergleichsstudie des EHI Retail Institutes heißt, „nutzen über alle untersuchten Branchen hinweg etwas über 60 Prozent der Kunden regelmäßig oder gelegentlich ihre Smartphones für Preisvergleiche, Produktrecherche oder Info wie Öffnungszeiten. 46 Prozent löst mit dem mobilen Device Rabatt-Coupons ein.“ Darüber hinaus greift ein Drittel der Kunden für Omnichannel-Services wie Produktreservierungen in der Filiale oder Produktlieferungen an eine Filiale zum Mobiltelefon zurück. Rund drei Viertel der Kaufinteressenten legt dann Wert auf das „virtuelle Lager“, also auf das Bestellen und Liefern nicht verfügbarer Ware vor Ort.

Erfreuliche Entwicklung

Das scheint schon mal eine erfreuliche Entwicklung zugunsten von Ladengeschäften zu sein. Schließlich war sonst der sogenannte Schaufenster-, Showrooming- oder Store-to-Web-Effekt beim stationären Handel gefürchtet, was aber auch mehr für reine Ladengeschäfte ohne eigene Online-Angebote galt und den Erfolg der Multikanal-Strategie aufzeigt. Vor diesem Hintergrund ist es dann auch weniger erstaunlich, wenn ein POS-Experte im Rahmen der EHI-Studie nun sogar einen gefestigten Kauftypen entdeckt: „Es ist immer derselbe Konsument, der mit seinen stabilen Bedürfnissen und Wünschen, seinen Erfahrungen in unterschiedlichen Branchen shoppt“, beobachtet Lars Roisch, Geschäftsführer der Hamburger POS-Agentur Stein.
Die Studie zeigt, dass den Kunden die Kernkompetenzen der Ladengeschäfte wichtig sind, die aus in einem übersichtlichen, gut sortierten und ansprechend präsentierten Angebot zum Anfassen und Ausprobieren, ferner aus Servicefreundlichkeit und kompetenter Beratung bestehen. „Neue Technologien sind dann sinnvoll, wenn sie dem Konsumenten einen klaren Mehrwert bieten und das Einkaufserlebnis bereichern würden“, resümieren die Kölner Handelsforscher. In diesem Zuge erwähnen sie das Bedürfnis mancher Kunden, Kundenterminals im Geschäft zu nutzen. Demnach würden 40 Prozent der Befragten gerne die Möglichkeit nutzen, sich vor Ort über Lagerbestand und Warenverfügbarkeit selbst zu informieren, und ein Viertel nutzt vorhandene Kundenterminals bereits regelmäßig.
Kundenterminals gehören genauso wie spezielle Monitorlösungen zum Angebotsbereich Digital Signage. Hierbei geben Displays flexible Medieninhalte wieder oder lassen sich von den nach Informationen suchenden Laufkunden bedienen. So bietet zum Beispiel der Spezialist Permaplay Media Solutions LCD-Bildschirme in verschiedenen Größen an, die einen Multimedia-Player und POS-Eigenschaften (Point of Sale) integriert haben. Die Daten werden auf einer Speicherkarte abgerufen und Updates per USB-Stick übertragen.

Praktisch: Kundenterminal in Smartphone-Form auf dem Handelskongress 2017 (Foto: Management Forum / Jörg Sarbach)

Verspielt: Roboter „Pepper“ auf dem Handelskongress 2017 (Foto: Management Forum / Jörg Sarbach)

Mögliche Störfaktoren

Beim Kundenverhalten sind jedoch laut einer anderen aktuellen EHI-Studie auch menschliche Störfaktoren im Ladengeschäft nicht zu verkennen. Das ist neben als aufdringlich empfundenem Verkaufspersonal eben der Mangel an der Warenverfügbarkeit. Da will und muss mancher Kunde weitere Geschäfte ansteuern. Ärgerlich sei insbesondere bei Filialunternehmen, wenn das Verkaufspersonal keine Angaben zur Verfügbarkeit in anderen Geschäften machen könne und die Suche schnell zu einem zeitraubenden „Trial & Error”-Prozess werde, warnen die Kölner Handelsforscher: „Gefordert sind daher eine schnellere Aktualisierung der Warenwirtschaft einschließlich der Verknüpfung von Online- und Offline-Angebot sowie intelligentere Prognosesysteme, die eine Out-of-Stock-Situation rechtzeitig melden.“
Um es auf das anfängliche Bild der Akroplis-Szenerie zu übertragen: Wenn der Interessent schon auf die mitunter mühevolle Wanderung geht, will er am Ort seines Begehrens nicht enttäuscht werden und das richtige Ticket lösen. Dann möchte er mehr als nur Tourist sein und auf eine spannende wie erfolgreiche Entdeckertour gehen. Für den Anbieter ist es dabei – wie heute an vielen Schauplätzen üblich – von Vorteil, wenn neben qualifizierten Fremdenführern auch digitale Assistenten zur Verfügung stehen.

Innovativ: Serviceroboter „Paul“ kommt erfolgreich und vermehrt zum Einsatz (Foto: Saturn/ Media-Saturn-Holding GmbH)

Assistenten im Einsatz

Die digitalen Helfer können im Handel die Konsumenten-Massen vor allem in Filialbetrieben (etwa samstags in Großstädten) kanalisieren und auch kleinere Ladengeschäfte entlasten. Neben den zunehmend auch bei lokalen oder regionalen Fachhändlern – etwa mit Anbindung an das Zentrallager einer Kooperation oder eines Dienstleisters – verbreiteten Kundenterminals kommen nun auch Roboter zum Einsatz, die einfache Aufgaben übernehmen. So ermöglicht es der flexibel programmierbare Serviceroboter „Pepper“ des US-Unternehmens SoftBank Robotics dem Kunden, über ein verbundenes Display Informationen abzurufen oder mit einem kurzweiligen Online-Spiel unterhalten zu werden (siehe Bericht „Roboter: Das Ei des Kolumbus?“ in Trend&Style 01/2017).
Die Saturn-Gruppe wiederum setzt nun vermehrt auf ihren Assistenzroboter „Paul“, der bisher nur im Rahmen eines erfolgreichen Pilotprojekts in der Filiale in Ingolstadt unterwegs war. Nun soll er neuerdings auch in Märkten der Filialkette in Berlin und Hamburg die Besucher empfangen, bespaßen, zum gewünschten Produkt- oder Sortimentsbereich führen und Fragen beantworten.
„Paul kann sprechen, verfügt über genaue Sortimentsinformationen und kennt auch die Warenstandorte im Markt. Fragt man ihn nach einem bestimmten Produkt, begleitet Paul den Kunden in die entsprechende Abteilung  – allerdings nur, wenn diese sich auf der gleichen Etage befindet“, heißt es am Ingolstädter Stammsitz der Media-Saturn-Holding. „Andernfalls teilt Paul mündlich die Lokation auf anderen Stockwerken mit. Denn Treppensteigen oder Aufzugfahren gehören noch nicht zu seinem Repertoire. Aber er ist ein ausgesprochenes Kommunikationstalent. Mikrofon und Lautsprecher versetzen ihn in die Lage, über Sprache mit den Kunden zu kommunizieren. Er gibt nicht nur Auskünfte zu Produkten oder weist auf Sonderaktionen und Services des Marktes hin, sondern plaudert auch gerne über das Wetter.“
Für Saturn sei Paul ein echter Sympathieträger: Innerhalb von zwölf Monaten habe er bereits 520 Kilometer Wegstrecke im Ingolstädter Markt und 100.000 Kundenkontakte vorzuweisen – und dabei viel Begeisterung ausgelöst, freut sich Martin Wild, Chief Digital Officer der MediaMarktSaturn Retail Group und CEO der MediaMarktSaturn N3XT GmbH: „Paul ist Teil unserer digitalen Innovationsstrategie, mit dem wir das Einkaufserlebnis in unseren Saturn-Märkten weiterentwickeln.“

Selbstbediener-Kassen

Auch Selbstbediener-Kassen gewinnen im deutschen Handel erheblich an Boden. Immer mehr deutsche Geschäfte bieten ihren Kunden den Service an, den Scann- und Bezahlvorgang selbst in die Hand zu nehmen. Dies zeigt erneut eine – aktualisierte – EHI-Markterhebung. Demnach hat sich in zwei Jahren die Anzahl der Geschäfte mit stationären Kassen zur Selbstbedienung glatt um 65 Prozent gesteigert.
Waren es im Jahr 2015 noch 295, sind es heute 488 Geschäfte. Insgesamt verfügt der deutsche Handel über rund 3.020 stationäre Self-Checkout-Kassen. Zugleich sind auch mobile Varianten ähnlich stark gestiegen: Von 25 Geschäften ist ihre Anzahl immerhin auf 41 gestiegen. Im Allgemeinen stehen in diesen Märkten jeweils mindestens 60 Handscanner den Kunden zur Verfügung.
Das EHI Retail Institute prognostiziert weiterhin ein dynamisches Wachstum, wonach im gerade abgelaufenen Jahr 2017 mehr als 500 Geschäfte ihren Kunden stationäre SB-Kassen angeboten und weitere 50 Geschäfte mobile Self-Scanning-Systeme im Einsatz haben.
Die gezeigten Hilfsmittel zeigen die modernen Möglichkeiten auf, wie Einzelhändler mit Hilfe von digitalen Assistenten und den frei gewordenen Kräften mit eigenem Erfolg und durchaus zum Vergnügen der Kunden Bestand haben können.
Arnd Westerdorf

Checkout: Selbstbedienungskassen sind bei Ikea schon länger etabliert (Foto: Inter IkeaA Systems B.V )