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Mit dem Zuhause – unterwegs

Ein boomender Markt verspricht auch der Living- und Cookshop-Branche wertige Nachfrage mit entsprechendem Umsatz: Der Camping-Markt in Deutschland erlebt eine Renaissance. Er wird jünger, kreativer und edler. Diese Zielgruppen und deren Bedarf sollte der Branchenhandel genauer unter die Lupe nehmen. Denn Camper geben jährlich im Durchschnitt rund 4.000 Euro für Produkte aus, die nichts mit dem Camping-Wagen oder Boot selbst zu tun haben. Es könnte mehr sein.

Das passende Equipment für die Auszeit vom digitalisierten Alltag: die Stainless King-Kollektion (Fotonachweis: ©Thermos)

„Die digitale Zukunft des Handels ist menschlich“. Dieses Fazit des Retail Report 2018, herausgegeben vom Zukunftsinstitut und Der Handel, wurde keineswegs zur Beruhigung stationärer Händler formuliert. Vielmehr steckt darin eine klare Handlungsanweisung. Sie rät Händlern in der digitalisierten Welt der Zukunft zu Vermittlern menschlicher Sehnsüchte zu werden, Handelsorte zu kreativen Lebensräumen zu machen, die sinnliche und persönliche Erlebnisse bieten.
Geschäfte mit gastronomischen und/oder kochenden Event-Konzepten treten schon heute den Beweis dafür an, dass Erlebnis-Strategien funktionieren. Kein Wunder, dass selbst Bekleidungs- oder Autohäuser darauf setzen und nahezu alle Branchen ihre Sortimente um Living-Produkte und Lebensräume erweitern. Sogar im Internet-Geschäft passiert das: Seit Juni 2016 testet Rewe.de gemeinsam mit Lieferanten und 1.000 Kunden einen Marktplatz „als Anlaufstelle für alle Produkte rund um Lebensmittel, Küche und Haushalt“.

Sehnsucht mit Potenzial

Der Wettbewerb bemächtigt sich immer mehr der Branchenthemen und Sortimente. Da kommen neue Vermarktungsthemen und -kanäle gerade recht. Living und Genuss sind Themen, die längst nicht mehr nur zu Hause, sondern auch unterwegs und überall anderswo stattfinden. Damit erklärte Anfang 2017 das KaDeWe-Magazin den neuen Sortimentsmix in allen Living-Abteilungen. Das mobile Zuhause hatten die Macher des Luxus-Kaufhauses allerdings noch nicht im Fokus. Obwohl auch dieses Klientel dafür Geld ausgibt. Schon die moderne Outdoor-Küche verfügt über alles, was indoor gefällt. Die mobile outdoor-Küche – zum Beispiel im Caravan – steht da in nichts nach. Sie zeigt zum Beispiel mit maßgezimmerten Fächern für die Nespresso-Maschine, welche Zielgruppe hier genießt.

Das mobile Wohnen, sprich die Caravaning- und Camping-Szene, freut sich über einen Boom. Das Deutsche Wirtschaftswissenschaftliche Institut für Fremdenverkehr (dwif) an der Universität München stellte in einer Studie fest, dass Deutschland 2015 mit dem beeindruckenden Wert von 367 Millionen rein touristischen Campingübernachtungen auf Platz vier in Europa rangiert. Allein die Ausgaben dafür beziffert das dwif mit 3,4 Milliarden Euro. Auch die Zahlen des Caravaning Industrie Verbandes e. V. (CIVD) deuten auf einen interessanten Markt hin, in dem es seit 2014 kontinuierlich aufwärts geht. 2015 übertrafen die deutschen Caravan-Kunden mit 18.795 neu zugelassenen Caravans (plus 9,3 Prozent) das Vorjahr. Und 2016 belief sich das Plus auf weitere 5,1 Prozent. Dabei hält der Trend zu besser ausgestatteten Modellen an. Auch 2017 geht es weiter aufwärts. Von Januar bis Mai 2017 hat das Neuwagengeschäft um über 13 Prozent zugelegt. Parallel floriert der Gebrauchtwagenmarkt. So rechnet der Caravan-Hersteller Knaus-Tabbert für sein Mietgeschäft 2017 mit einem Umsatz von knapp 550 Millionen Euro (FAZ 22. Juni 2017). Das bedeutet gegenüber Vorjahr ein Plus von 140 Millionen Euro.

Zweistellige Zuwachsraten

Parallel eilt der deutsche Reisemobilmarkt von Rekord zu Rekord. Das Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg ermittelte für 2016 mit 35.135 Reisemobil-Neuzulassungen eine Zunahme von 23,9 Prozent gegenüber 2015. Und die Erfolgsgeschichte geht laut CIVD auch 2017 mit zweistelligen Zuwachsraten weiter. Eine aktuelle bundesweite Studie des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft über den Bootsmarkt zeigt, dass auch die Zahl der Neueinsteiger in den Bootssport steigt. Danach gewinnt diese Branche bis zu 7.500 Bootseigner jährlich hinzu. Diese Zahl dürfte steigen, denn zwischen 2006 und 2015 hat sich die Zahl der erworbenen Boots-Führerscheine auf 81.049 (plus 27,6 Prozent) erhöht.

Mobil und handlich sind Table BBQs. Dieses Modell verfügt über einen Korkdeckel, der Untersetzer ist oder den Grill verschließt (Fotonachweis: ©Berghoff)

Nach unerfüllter Produktsuche für die eigene Camping-Oase eröffneten die Gründer von camping-trend.de einen Online-Shop (Fotonachweis: ©camping-trend.de)

Es sind gleich mehrere Trendmotoren, die diese Entwicklungen befeuern. Das Outdoor Living bzw. das Leben mit und in der Natur steht dabei ganz oben. Wem Balkon, Terrasse und Garten nicht genügen oder zur Verfügung stehen, der richtet sich unterwegs ein. Vor allem Familiengründer werden aus diesem Grund vom Camping-Boom erfasst. Aber auch die Babyboomer-Generation kann heute als Rentner Freiheit mit ganz viel Freizeit verbinden. Gerade diese Zielgruppe will bei ihrem Trip durch Europa keineswegs auf den gewohnten Lebensstandard verzichten. Und selbst für die Überwinterung im Süden ist das mobile Zuhause technisch und lifestylig bestens ausgerüstet. Diejenigen, die beruflich Verantwortung tragen, wollen raus aus dem Glaskasten, suchen Gesundheit und Entschleunigung. Die Entscheidung für Camping & Co. ist also immer seltener finanziell motiviert, weiß Wolf-Steffen Schau von www.camping-trend.de. Für ihn spielt auch die Sicherheit ein große Rolle. Darum fallen ganze Urlaubsregionen aus, andere werden voll. Es ist kein Zufall, dass Norwegen so viele deutsche Touristen zählt wie schon lange nicht mehr.

Einrichtung wie Zuhause

Auf Umbruch im Sinne von Aufbruch stehen die Zeichen für eine Branche, deren Potenzial allerdings noch wenige erkennen. Ein wachsender Markt für die Branche, die sich mit Lifestyles, Genusstrends und den vielen Dinge für das Freiluft-Wohnen auskennt. Ausrüstung bzw. Einrichtung wie zu Hause steht auf der Agenda der neuen Camper, für die übrigens moderne Campingplätze Münz-Geschirrspüler bereithalten. Da schütteln „die Alten den Kopf, während junge Mobilheimbewohner diese wie selbstverständlich bestücken“, skizziert einer den Wandel, der viel unterwegs wohnt.

Alle Zielgruppen bevorzugen hochwertige Produkte. Das gilt für Grills, deren Technologie und Marken ebenso wie für „Pött und Pann“, Küchenhelfer oder genussgerechte Weingläser, Kaffeetassen aus Porzellan, „richtiges“ Besteck, deren Menge zumindest für die Stammbesatzung zur Grundausstattung gehört. Denn gerade für Luxusmobile über 3,5 Tonnen ist das Gewicht der Küchenausstattung irrelevant. Gerade an diese(n) Besitzer(innen) gehen die gängigen Angebote schlichtweg vorbei.
„Der Camping-Markt in Deutschland erlebt eine Renaissance. Er wird jünger, kreativer und edler zugleich. Vermieter-Plattformen wie PaulCamper und Campanda erleichtern den Einstieg und die Investition. Die VW-Bus-Gemeinschaft trifft sich in sozialen Netzwerken. Auf Mobile.de kann man die urigsten Vehikel kaufen, vom Unimog bis zum ausgebauten Krankenwagen. Hersteller stellen immer luxuriösere Mobile vor, die – fast wie Segelboote – lange Zeit autark sein können und keine Wünsche offen lassen“, weiß Sheila Rietscher, Direktorin Marke & Strategie bei Kahla/Thüringen Porzellan. Die Weltumseglerin kennt die Anforderungen und Chance, die das mobile Leben für die Branche bedeutet, aus jahrelanger eigener Erfahrung.

Genussorientiert

Danach kommt für klassische Mobile, die voll beladen die 3,5-Tonnen-Grenze erreichen und regelmäßig vermietet werden, hochwertige Tischkultur nicht in Frage: zu schwer, zu teuer, Verlust zu schmerzhaft. Wer aber den Campervan überwiegend selbst fährt, genießt seinen Kaffee gern aus Porzellan bzw. schönen Bechern und zelebriert die Kaffeezubereitung. Passionierte Camper freuen sich über Alternativen zum althergebrachten Campinggeschirr aus Kunststoff.
Trotzdem haben fahrende oder segelnde Kunden spezielle Bedürfnisse. Stapelbarkeit ist ein echtes Plus.

Flavorkapseln ohne Süß- oder künstliche Zusatzstoffe veredeln im Trinksystem nuapua Trinkwasser mit Geschmack (Fotonachweis: ©Nuapua)

Rutschfest begeistert Magic Grip passionierte Camper und Bootführer. Denn dieses Porzellan klappert nicht im Schapp, ist trendig und multifunktional (Fotonachweis: ©Kahla)

Rietscher: „Töpfe mit abnehmbaren Griffen und faltbare Silikonschüsseln sind auf engem Raum wunderbar. To Go-Becher mit Deckel schützen Getränke und Snacks vorm Überschwappen und vor Insekten. Wiederverwendbare Bienenwachstücher ersetzen unökologische Plastikfolien und reduzieren den Müll. Trinkwasser aus frischen Quellen oder aus dem Wasserfilter füllt man idealerweise in reiselustige Mehrwegflaschen. Für Wein empfehle ich eingefärbte Gläser. So braucht man barfuß keine Sorge vor unsichtbaren Scherben haben. Steakmesser mit Klappfunktionen schonen die Klingen im schaukelnden Besteckkasten“, ergänzt Reise-Profi Rietscher. Nicht nur sie rät dem Branchenhandel, die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse genauer unter die Lupe zu nehmen. Kay Harney, Retail Development & Marketing, empfiehlt zum Beispiel Packages mit kleineren Artikelzahlen für maximal vier Personen, kurzstielige Weingläser, Utensilien, „die das Kochen schön machen und nicht nur praktisch sind“ sowie Verpackungen, die auch zum Transport verwendet werden können.

Frust mündet im Online-Shop

„Mrs. Cara“, die von ihrem Mann, „Mr. Van“, zum Caravan-Glück „überredet“ wurde, bringt den Bedarf aus Einsteiger-Sicht auf den Punkt: „Der Wohnwagen braucht eine Ausstattung. Von Geschirr und Besteck, über Bettwäsche, Handtücher, Spiel-, Mal- und Bastelsachen für die Kinder, allerhand Kosmetikartikel all das, was das Herz begehrt. Aber bitte nicht einfach so! Trendy soll es sein, stylish, gemütlich, passend, kuschelig. Eine wahre Camping-Oase.“ Doch ihre Shopping-Tour scheiterte, beschreibt sie auf camping-trend.de. Der Mangel an trendigen Camping-Utensilien mit Zeitgeist führte 2015 zur Gründung dieses Online-Shops, der Orte zum Wohlfühlen einrichten hilft.

An solche Orte denkt der Handel offenbar noch immer zu selten. Die Themen werden vor allem zur Sommerzeit speziell von Baumärkten, Gartencentern, LEH-Märkten und Händlern gefahren, die ihre Grill-Fläche mit Randsortimenten anreichern: Mit allem vorzugsweise aus Kunststoff und Pappe für die schnelle „Genuss-Nummer“. Richtung Oktoberfest wird das Thema noch einmal aufgegriffen, auf gleichem Niveau. Dabei geben Camper jährlich im Durchschnitt rund 4.000 Euro für Produkte aus, die nichts mit dem Camping-Wagen oder Boot selbst zu tun haben.
Wer näher am Busen der Natur wohnt, der hat erfahrungsgemäß ein größeres Interesse an deren Erhalt. Importierte Picknick-Körbe im Preisverhau sprechen Konsumenten, die bewusster leben wollen, nicht an. Nachhaltigkeit steht im Fokus, außerdem sollten Produkte wie das Geschirr aus Kaffee-Satz anspruchsvoll und individuell sein, weiß man bei camping-trend.de. Verbinden Produkte eine Lösung mit Qualität, dann spielt in Camper-Kreisen der Preis kaum eine Rolle. Die Erfahrung macht Hailo unter anderem mit dem „one step“, einem Tritt mit einer Stufe, der länger als eine Saison hält.

Fazit

Das „Zuhause unter freiem Himmel“ ist auch außerhalb des eigenen Gartenzauns ein veritabel wachsender Markt. Ob Campingwagen, Wohnmobil oder Boot, man/frau richten sich auch unterwegs wie Zuhause ein. Dabei geht der Trend im Vergleich zum Campingstyle früherer Jahre selbst bei jungen Menschen sogar zum „Glamping“, dem glamourösen Camping. Und wie der „stationäre“ Outdoor-Lifestyle folgt auch die mobile Variante dem Ganzjahrestrend. Wintercamping hat einen besonderen Reiz, der immer mehr Fans findet. Schließlich ist campen in, weil diese Lebens-/Wohnform auf Zeit einen Kontrapunkt zum digitalisierten Alltag setzt. Gleichzeitig können gerade dank moderner Kommunikationsmittel immer mehr Menschen das mobile Zuhause auch außerhalb der festgelegten Urlaubszeiten nutzen.
Eva Barth-Gillhaus