Es ist viel Bewegung in der Messelandschaft. Bei der Ambiente, Christmasworld und Creativeworld wird gemeinsam mit Nmedia an neuen, innovativen Konzepten gearbeitet. Wir sprachen mit Philipp Ferger, Bereichsleiter Consumer Goods Fairs bei der Messe Frankfurt und Nicolaus Gedat, Geschäftsführer Nmedia.
Es gibt viele Veränderungen, was das Orderverhalten im Bereich B2B betrifft. Was ist derzeit der Stand der Dinge?
NG: Die Plattformen wie Ancorstore und Orderchamp haben in den vergangenen Jahren viel Geld in die Hand genommen, um sich als Großhändler zu positionieren. Dieses Modell konnte sich aber nicht durchsetzen, weil Händler in der Regel nur über den Weg bestellen, der ihnen vom Lieferanten aktiv vorgeschlagen wird. Selbst wenn es auf diesen Plattformen Tausende von Unternehmen gibt und das erstmal interessant für Händler erscheint, geht der einzelne Anbieter in der Masse oft unter und Händler verlieren die Übersicht. Unser Ansatz hingegen verfolgt einen anderen Weg. Wir arbeiten eng mit den wichtigen Marken zusammen und bieten damit gezielt Mehrwert.
Gerade diese großen Marken wenden sich aber derzeit zunehmend von den Messen ab. Wie reagieren Sie darauf?
PF: Zunächst einmal freuen wir uns natürlich vor allem, über alle Marken, die 2025 auf die Ambiente zurückkehren, wie Rösle oder Wüsthof. Aber natürlich haben wir als Messeveranstalter früh erkannt, dass einzelne Marken Messe auch in Frage stellen und handeln entsprechend. 2019 sind wir daher eine Partnerschaft mit Nmedia eingegangen und haben uns am Unternehmen beteiligt. Unser Ziel ist es damit als ganzjähriger Dienstleister und Partner wahrgenommen zu werden, nicht nur während der Messe. Es geht darum, den Kontakt zu den Marken aufrechtzuerhalten und ihnen kontinuierlich digitale Angebote und Dienstleistungen zu bieten. Dadurch bleiben wir relevant, auch wenn bekannte Marken sich vorübergehend von physischen Messen abwenden. Wir sind überzeugt, dass diese Marken irgendwann zurückkehren werden, aber in einem veränderten Format – nicht mehr mit riesigen Ständen, sondern mit cleveren, digitalen und emotionalen Präsentationen, die Erlebnisse schaffen. Zalando beispielsweise ist nach erfolgreicher Implementierung des Online-Geschäfts dann den Schritt in Richtung stationärer Handel gegangen. Und beides zusammen funktioniert eben.
Welche Rolle spielt dabei die digitale Plattform Nmedia?
PF: Über Nmedia können wir als ganzjähriger Partner der Marken auftreten. Das ist ein wesentlicher Unterschied zu unseren Messemitbewerbern im In- und Ausland. Über Nmedia positionieren wir uns als Anbieter digitaler Lösungen und bauen sukzessive ein Netzwerk auf. Langfristig könnte sich dieses Modell zu einer Kombination aus Online- und Offline-Präsenzen entwickeln. Über die digitalen Angebote führen wir die Marken gezielt wieder an das Thema Messe heran, was die Chance erhöht, dass sie langfristig zur physischen Messe zurückkehren.
Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Ihre Kommunikation zu optimieren?
PF: Ein wesentlicher Punkt ist, die richtige Zielgruppe anzusprechen und physischen und digitalen Raum für Vernetzung zu schaffen. Bei dem „Ambiente Insider“-Programm konzentrieren wir uns beispielsweise speziell auf den deutschen Fachhandel, den wir mit exklusiven Leistungen einladen. 2025 werden wir auf der Ambiente gemeinsam mit verschiedenen Organisationen und Verbänden, wie EK Retail, Nmedia, IVSH und dem Handelsverband GPK einen zentralen Treffpunkt im Foyer der Halle 12.1 schaffen. Auf dieser neuen Lounge-Fläche auf der Messe befinden sich somit alle wichtigen Akteure für den Einzelhandel. Denn wir bieten gern Networking-Events direkt auf den Messen und unterstützen den unterjährigen Austausch in der Branche durch unsere Händlerplattform Conzoom Solutions.
Wie wichtig sind dabei technologische Entwicklungen und die Nutzung von Daten?
PF: Die Auswertung und gezielte Nutzung von Daten sind entscheidend. Wir sammeln eine Fülle an Informationen über die Interessen und das Verhalten der Besucher rund um die Messen. Unser Ziel ist es, diese Daten so zu nutzen, dass wir eine individuelle und personalisierte Kommunikation ermöglichen können. Aktuell werden viele Informationen noch zu allgemein verteilt, was dazu führt, dass spezifische Botschaften verloren gehen. Um dem entgegenzuwirken, investieren wir als Messe Frankfurt weiter signifikant in neue IT-Systeme, die eine präzisere Zielgruppenansprache ermöglichen und uns in die Lage versetzen, unseren Ausstellern auch deutlich mehr Daten für deren Marketingaktivitäten zu liefern.
Was ist der Mehrwert für Händler auf der digitalen Plattform Nmedia.HUB?
NG: Händler profitieren von der Bündelung aller relevanten Lieferanten auf einer Plattform, ob er vollkommen automatisiert mit nmedia.EDI oder im Internet mit dem nmedia.HUB arbeiten möchte. Sie müssen nicht mehr auf dutzenden verschiedenen Portalen suchen. Bei uns haben sie alles an einem Ort und das ohne zusätzliche Kosten. Zudem bleiben alle individuellen Konditionen bestehen, die der Händler direkt mit dem Lieferanten ausgehandelt hat. Wir fungieren nur als Transaktionsplattform, ohne uns in die Wertschöpfungskette einzumischen. Ein weiterer großer Vorteil ist, dass Händler alle relevanten Produktinformationen zentralisiert erhalten, einschließlich Bilder, Artikelstammdaten und Bestands- sowie Lieferzeiten.
Welche Herausforderungen sehen Sie für die Zukunft der Messen?
PF: Ein entscheidender Punkt ist, dass wir stärker auf die jüngeren Generationen, wie die Gen Z, eingehen müssen. Aktuell sind sowohl auf Besucher- als auch Entscheiderebene der Aussteller noch überwiegend die Generation X und aufwärts vertreten. Wenn wir aber in die Zukunft schauen, wird bis 2030 ein Großteil der Entscheidungsträger zu den jüngeren Generationen gehören. Deshalb müssen wir Programme entwickeln, die nicht nur die Inhaber, sondern auch Auszubildende und junge Fachkräfte für die Messen begeistern. Das muss europaweit gedacht werden, nicht nur national.
Welche strategischen Veränderungen gibt es in Ihrem Portfolio?
PF: Ein gutes Beispiel dafür, wie wir im ausgebuchten Gelände mittelfristig Raum für Wachstum geschaffen haben, ist die Verlagerung des Bereichs gewerblicher Bürobedarf zur Paperworld Middle East. Denn aktuelle Marktentwicklungen, der Strukturwandel und die Veränderungen der Arbeitswelten bleiben vor allem für die Hersteller und Lieferanten aus dem gewerblichen Bürobedarf nach wie vor sehr herausfordernd. In Deutschland und in Europa stagniert dieser Markt seit Jahren, vor allem getrieben durch die digitale Transformation.
Aufgrund dieser Faktoren und eines stagnierenden Marktes haben wir uns entschieden, uns in Frankfurt von diesem Angebotssegment zu trennen. Dies hat uns Raum für neue Wachstumschancen geschaffen zum Beispiel im Bereich Möbel, wo wir ein großes Potenzial sehen. Gleichzeitig können wir durch ein breiteres Produktspektrum in unserer Besucherzielgruppe „Hospitality“, also im Bereich Hotels, Restaurants, Interior Designer etc. weiterwachsen. Auch wenn dies ein evolutionärer Prozess ist, wollen wir hier langfristig neue Optionen schaffen und diese weiter ausbauen.