Der einstige Arbeitsraum Küche hat es zum Ausdruck des persönlichen Lebensstils gebracht. Dabei ist sie einerseits zum sozialen Treffpunkt geworden. Zum anderen steht das Selbstkochen sogar bei jungen Generationen wieder hoch im Kurs. Parallel schreitet die Individualisierung im Ernährungsbereich fort. Machten bislang moderne Lebens-, Arbeitszeiten und Familienstrukturen die Erfüllung dieser Wünsche problematisch, sorgen neue Küchenkonzepte und immer smartere Küchentechnologien dafür, dass der neuen Küchen- und Kochlust nichts mehr im Wege steht.
Küchendesign Made in Italy: Die „Intarsio“ Küchenserie „The 50‘s“ ist modern, individuell, flexibel und dank dimmbarem Licht wohnlich (Foto: Cesar)
Die Küche ist nicht mehr nur ein Ort, an dem Speisen erwärmt werden, sondern auch soziale Beziehungen warm gehalten werden. Und was die Gestaltung angeht, steht bei modernen Küchen Kreativität auf dem Menü, stellte jüngst der Architonic Report Küche fest. Damit ist selbst für die Trendsetter unter den Architekten die Kombination von robusten, anpassungsfähigen und erschwinglichen Ikea Küchenschränken mit hochwertigen Markenprodukten kein Tabu mehr. Außerdem hat nicht jeder Platz für eine große, offene Küche. Passenderweise setzt der Ikea-Katalog 2020 in seinen Wohn- und Küchenvorschlägen auf Individualität. Am Beispiel von Menschen mit sieben verschiedenen Lebensstilen wird aufgezeigt, welche Einrichtung zu den jeweiligen Bedürfnissen passen kann. Damit wird das Zusammenstellen einer Küche zum Puzzle, wissen auch die Berater der „Küchen Aktuell“ Küchenstudios. Mindestens vier Stunden dauert ihrer Erfahrung nach ein Beratungsgespräch selbst dann noch, wenn Kunden vorab die angebotene Online Küchenplanungshilfe genutzt haben. Nur dann steht am Ende wirklich eine Küche die passt – bis hin zu den Ernährungsgewohnheiten der einzelnen Familienmitglieder.
Schon seit Jahren wird die Ernährung immer individueller. Ein Beispiel lieferte vor zwölf Jahren das damalige Startup Unternehmen MyMuesli, auf dessen Webseite Kunden ihre Frühstücksflocken nach eigenem Gusto zusammenstellen konnten. Jetzt hat dieses Passauer Unternehmen die Personalisierung weiter gedacht. Wer eine Speichel-, Blut- oder Darmprobe analysieren lässt, erhält auf Basis seines individuellen Gen- oder Stoffwechselpools die passende individualisierte Getreidemischungen. „Damit wird Frühstück für unsere Kunden so individuell wie noch nie“, sagt Maximilian Pahn, der das Konzept der personalisierten Ernährung bei MyMuesli mit entwickelt hat.
Ganz so persönlich geht es bei Küchen zwar (noch) nicht zu. Dennoch bezeichnet Yolanda Yuste von YLAB Arquitectos, Barcelona, Küchen als „Spiegel des individuellen Lebensstils“. Darum orientiert sich die Architektin bei der Planung sehr stark an der Lebensweise des Küchenbesitzers. Die Maxime beschränkt sich nicht nur auf die großen offenen Traumküchen, in denen Familien und Freunde zum Kochen und Essen zusammenkommen können. Auch in kleineren Stadtwohnungen ist die Küche das Ergebnis von Lebensstil, Trink- und Essgewohnheiten der Bewohner, weiß sie: „Heute erleben wir immer individuellere Küchenlösungen, da eine größere Vielfalt von Nutzern über die traditionelle Familie hinausgeht, oft reist oder den Wohnsitz wechselt.“ Gerade in Städten braucht man Küchen, in denen gelegentlich mit Freunden gekocht wird, die sich aber vor allem für das Frühstück, kleine Mahlzeiten oder ein Glas Wein am Abend eignen. Fazit: Die Küche von heute muss sich an unser hektisches, sich stetig veränderndes Leben anpassen.
Mit Design und Funktion sorgt die Dunstabzugshaube „Stripe Urban“ in Gusseisenoptik für gute Luft im offenen Wohn-Küchen-Raum (Foto: Elica)
Geht der Teig auf? Wie sieht das Fischfilet aus? Eine integrierte Kamera überträgt die Bilder auf ein mobiles Endgerät. Temperatur, Back- oder Garzeit lassen sich so bequem vom Sofa aus nachregeln (Foto: AMK)
Ausdruck der Persönlichkeit
Dabei gewinnt das Design in Zukunft weiter an Bedeutung. Zu diesem Ergebnis kommt die vom Zukunftsinstitut im Auftrag von Siemens Hausgeräte durchgeführte Umfrage „Metropolitan Lifestyle“. Demnach sagen 66 Prozent der in den Städten lebenden Trendsetter, dass gutes Design ihnen wichtig ist und sie sich für schöne Dinge begeistern können. Zudem gilt die Küche als Prestigeobjekt: Rund die Hälfte (52 Prozent) möchte, dass die Küche zum Lebensstil passt und Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ist. 43 Prozent ist deren Ausstattung wichtig, für die sie bereit sind, mehr Geld auszugeben. Und ein gutes Drittel zeigt seine Küche gerne anderen Leuten, die sie besuchen. Das sind Aussagen auch von allgemeinem Gewicht, betont das Zukunftsinstitut. Denn Städte sind der Lebensraum der Zukunft – und das in zweifacher Hinsicht. Zum einen schreitet die Urbanisierung in rasanter Geschwindigkeit fort. Schon im Jahr 2050 werden über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung in Städten wohnen. Zum anderen leben hier die Vorreiter neuer Konsum- und Lebensstile. An den Wünschen dieser urbanen Avantgarde lassen sich künftige Entwicklungen bereits heute mit hoher Wahrscheinlichkeit ablesen.
Konkrete Trendsignale kamen im September 2019 von Küchenmesse „Küchenmeile“. Danach liegen in den Küchen Einzelmöbel im Trend. Dazu zählen unter anderen alleinstehende Inseln, Vitrinen in Form von Sideboards, Lowboards, Highboards oder Regale. Sie garantieren Flexibilität und sorgen für sinnvollen Stauraum. Aber auch der wohntaugliche Aspekt der Küchenmöbel wird wichtiger. Ob die Küche nun tatsächlich ins Wohnzimmer einzieht oder lediglich von dort einsehbar ist: Sie muss mehr denn je zum „raumübergreifenden Einrichtungskonzept“ passen. Da kann ein einzelnes Küchenmöbel durchaus eine tragende Rolle als Designobjekt spielen. Entsprechende Regale wirken, ob offen oder mit Schiebetürelementen versehen, wohnlich, sind dekorativer Stauraum. Weiterhin im Trend sind repräsentative Vitrinenschränke, hinter deren transluzenten, getönten oder ornamentierten Glastüren edles Tafelgeschirr, stilvolle Gläser oder dekorative Accessoires präsentiert werden. Schließlich gehört modernes Küchenzubehör ebenso zum Raum- und Genusskonzept dazu wie die Tischausstattung ein Comeback feiert.
Dem Wunsch nach flexiblem Wohnen, Leben und Genießen entsprechen Modulküchen, die mit offenen, frei konfigurierbaren sowie werkzeuglos auf- und abbaubaren Elementen flexibel zusammengestellt werden können (Foto: AMK)
Individuelle Lösungen sind schon seit 20 Jahren das Geschäftsmodell des Spar-Tip- Einbauküchen Studios in Siek bei Hamburg. Nach dem Motto „klein und fein“ verzichtet das Betreiber Ehepaar Manuela und Oliver Kern auf viele Musterküchen, sondern empfängt und berät die Kunden nach telefonischer Terminabsprache in nur einer einzigen Ausstellungsküche: in der eigenen. Eine Küche, die stets auf den aktuellen Stand der Technik gebracht wird. Hier wird in enger Absprache mit den Kunden deren Traumküche – am großen Bildschirm und mithilfe von Frontenmustern erarbeitet. Produkte und Inhalte individuell an die Kunden anpassen, das ist auch hier das Maß aller Dinge.
Küchen werden smarter
Rund 22 Prozent aller Deutschen haben in der eigenen Küche Erneuerungsbedarf. Wobei gut 60 Prozent smarten Küchengeräten noch skeptisch gegenüber stehe. Das ergab eine Befragung im Auftrag der Creditplus Bank AG. Allerdings steigt das Interesse an moderner Technologie bei den jüngeren Köchinnen und Köche deutlich an. Dass der Küchenalltag insgesamt smarter wird, davon ist auch Marcus Wech, Marketingleiter von Küchen Aktuell, überzeugt. Er hat die Entwicklung von der Zweckküche zum Statussymbol verfolgt und beobachtet, dass der Trend zur gesunden Ernährung und zum selber Kochen mit technischen Innovationen und der Smartifizierung der Küche einher gehen. Elemente, die noch vor nicht langer Zeit ausschließlich in der Spitzengastronomie zu finden waren, gehören heute in Privatküchen zum Standard. So liegen beispielsweise Einbaugeräte mit Steam-Technologie im Trend, welche von der Vitamin, Konsistenz und Aromen schonenden Zubereitung der Lebensmittel bis hin zum professionellen Garen unter Vakuum (Sous-vide) neue kulinarische Erfahrungen eröffnen.
Smart und vernetzt
Mit Connectivity fähigen Hausgeräten auch von unterwegs den Highspeed-Alltag managen und trotzdem gute Ergebnisse auf den Esstisch bringen, das ist schon heute möglich. Zum Beispiel kann man dank Kameras im Kühlschrank per Smartphone/Tablet und App nachschauen, was noch gekauft werden muss. Mit dieser „Remote“-Technologie verfolgt man auch das Geschehen im Dampfbackofen kann gegebenenfalls Temperatur, Back- oder Garzeit nachregeln. Smart und vernetzt sind in einer „Connected Kitchen“ auch die Geschirrspüler. Sie unterstützen bei der Auswahl der Spülprogramme, informieren per Push-Nachricht, wenn das Programmende erreicht ist und wenn die Geschirrspüler-Tabs zur Neige gehen. Moderne Induktionskochfelder, die via WiFi, Bluetooth oder Infrarotsensor mit einer passenden Dunstabzugshaube vernetzt sind, schalten beim Starten des Kochfelds die Beleuchtung der Haube ein und passen ihre Lüfterleistung automatisch an Kochprozesse und Kochschwaden an. Und dank Konnektivität muss man sich zum Beispiel auch nicht mehr die bange Frage von unterwegs aus stellen, ob das Kochfeld beim Verlassen der Wohnung auch tatsächlich ausgeschaltet war.
In dieser Gemeinschaftsküche können es sich die Gäste des Lindley Hotels in Frankfurt gut gehen lassen. Mit Snacks aus dem Kühlschrank und sogar beim selbstgekochten Festmahl mit Freunden (Foto: Lindley / Steve Herud)
Insgesamt schreitet die Vernetzung der Hausgeräte immer weiter voran, zudem werden Features gebündelt um einen höheren Nutzen für die Konsumenten zu generieren. „Immer mehr neue, smarte Einbaugeräte sind neben einer App-Steuerung auch für Voice Control vorbereitet – die komfortable Sprachsteuerung, entweder mithilfe intelligenter Lautsprecher oder sie sind bereits mit einem eigenen, digitalen Sprachassistenten ausgestattet“, sagt Volker Irle, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche e.V. (AMK). „Die Anwendungen reichen zum Beispiel vom vernetzten Kühl- oder Gefrierschrank über Backöfen, Einbau-Herde und Geschirrspüler, mit denen man sprechen kann, bis zum Kaffeevollautomaten, der dann Ihre Lieblingskaffeespezialitäten auf Zuruf vom Sofa aus zubereitet“.
Eva Barth-Gillhaus