Die Straßen sind dicht, die Luft schlecht und der Handel boomt. Was läge da nicht näher, als einen Teil der Logistik unter die Erde zu verlagern. Was sich wie Zukunftsmusik anhört, ist ein Projekt, das mit CargoCap möglicherweise bald in Bergisch Gladbach zum Tragen kommen könnte.
Zwei bis drei Euro-Paletten oder andere Standardladungsträger passen in die Kapseln
Größenvergleich der CargoCap-Röhre mit einem U-Bahn-Schacht
Alternative Transportwege sind derzeit eines der Top-Themen, um Waren schneller und umweltfreundlicher ans Ziel zu bringen. Denn eine reibungslose Versorgung der produzierenden Wirtschaft, des Handels und der Konsumenten ist eine der wesentlichen Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung einer Stadt beziehungsweise einer Region. LKW fahren in Ballungsräumen mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 16,7 km/h und haben große Mühe ihre straffen Zeitpläne einzuhalten. Das bereitet all denjenigen, die regelmäßig mit Ware beliefert werden und unter verstopften Zufahrtswegen leiden, Kopfzerbrechen. Darüber hinaus droht den Logistikern durch das mögliche Dieselverbot in den Innenstädten das Aus. Nicht umsonst experimentieren große Logistiker mit Drohnen als alternativem Transportmittel.
Dabei liegt die Lösung, wenn man Herrn Prof. Dr. Dietrich Stein, dem Initiator und Geschäftsführer von CargoCap glauben darf, nicht in der Luft, sondern unter der Erde: „Denken Sie zunächst doch einfach einmal an die Entwicklung unserer Kanalisation. Bis ins 19. Jahrhundert floss alles, was entsorgt werden musste, durch die offenen Rinnsteine der Städte, bis eine Choleraepedemie die letzten Zweifler davon überzeugte, dass das Abwasser abgeleitet werden müsse. Auch hier ging man in den Untergrund und machte das Leben für alle gesünder, geruchsarmer und lebenswerter. Vor einer ähnlichen Entscheidung stehen wir heute. Feinstaub, Stickoxide, Lärm und Verkehrschaos machen den Ballungszentren zu schaffen. Das belastet nicht nur den Menschen, sondern auch die gesamte Umwelt. Das heißt, wir müssen dringend handeln!“
Das System
Die Lösung seiner Wahl heißt CargoCap. Güter werden in Fahrrohrleitungen mit einem Durchmesser von 2,80 Metern unterirdisch transportiert. Die Transportfahrzeuge, Caps genannt, können mit jeweils zwei bis drei Paletten oder Behältern in Standardabmessungen beladen werden. Die Ladung wird an CargoCap-Stationen dem Empfänger zur Verfügung gestellt oder durch eine – möglichst elektrisch betriebene – Anschlusslogistik in der Umgebung den jeweiligen Stationen verteilt werden. Dabei können diese einzigen Verbindungen zu der Oberfläche sowohl mitten in den Innenstädten, als auch direkt am Fließband einer Fabrik sein. Diese Technik könnte – ohne zusätzlichen Raum- und Verkehrswegebedarf – nicht nur die Straßen, sondern auch die Feinstaub- und Lärmbelastung wesentlich verringern.
Der Professor für Leitungsbau und Leitungsinstandhaltung ist sich sicher, dass nur mit grundlegend neuen, innovativen Entwicklungen eine zukunftsfähige und wirtschaftliche Logistiklösung geschaffen werden könne. Diese Technik könne – ohne zusätzlichen Raum- und Verkehrswegebedarf – nicht nur die Straßen entlasten, sondern auch die Feinstaub- und Lärmbelastung verringern. Von zentraler Bedeutung sei dabei deren einfache Implementierung in die traditionellen Verkehrssysteme und Logistikkonzepte.
Die partielle Verlagerung der Logistik in den Untergrund schaffe neben positiven Effekten für die Umwelt auch Einsparpotentiale für die Logistik.
Das Rohrleitungsnetz
Wenn es denn so funktionieren würde, wie angekündigt, wäre CargoCap eine einmalig gute Lösung. Denn während im Untergrund eine neue Infrastruktur entsteht, bleibt an der Oberfläche überwiegend alles unberührt. Möglich wird dies durch den unterirdischen Rohrvortrieb, dessen geringer Oberflächenbedarf sich lediglich auf die Start- und Zielschächte beschränkt. Anwohner, Bäume, Bewuchs und Grundwasser sowie Naturschutzgebiete werden somit nicht gestört. Es funktioniert auch auf längeren Distanzen zentimetergenau und ist in nahezu jeder Tiefenlage, Geologie und Hydrogeologie einsetzbar.
Durch diese Technik und den relativ geringen Innendurchmesser der Fahrrohre kann die CargoCap-Rohrleitung im öffentlichen Raum problemlos neben oder unter bestehenden Infrastruktureinrichtungen wie Abwasserkanäle, Gas-, Wasser-, Strom-, Fernwärmeleitungen etc. verlegt werden.
Die Technik
Die Caps sind aerodynamisch geformt und haben eine vollautomatische Betriebsführung. Sie können jeweils mit zwei bis drei Euro-Paletten oder anderen Standardladungsträgern beladen werden. Laufräder übernehmen die Tragfunktion- seitliche Führungsrollen halten die Caps in der Spur.
Der Antrieb erfolgt elektrisch über die Räder. Hierbei kommen Drehstrommotoren zum Einsatz, die durch Frequenzumrichter gespeist werden. Dieses bewährte Konzept zeichnet sich durch robuste Konstruktion, geringen Energieverbrauch, niedrige Anschaffungskosten sowie langer Lebensdauer bei geringem Wartungsaufwand aus.
Prof. Dr.-Ing. Dietrich Stein, Geschäftsführer CargoCap
Die Postionsermittlung der Caps erfolgt per RFID-Technik
Die Positionsermittlung der Caps erfolgt per RFID-Technik. Somit wissen nicht nur die Caps, wo sie sind und welchen Abstand sie halten müssen, sondern auch der Auftraggeber, wo sich seine Ware befindet. Bei erhöhtem Transportbedarf gruppieren sich einzelne Caps zu dicht fahrenden Verbänden, die in einem Abstand von vier Metern konstant mit circa 36 km/h fahren.
Um einen gleichmäßigen Verkehrsfluss zu gewährleisten, werden die Caps an den Stationen zur Be- oder Entladung aus- und wieder eingeschleust.
Eine wesentliche Voraussetzung für die Verbandsbildung und -auflösung sind ein neuartiges Weichenkonzept und die spezielle Gestaltung der Verzweigungen. Die Weichen sind vollständig passiv ausgestattet. Das Cap übernimmt den aktiven Teil der Verzweigung und besitzt hierfür zwei Weichenmodule. Diese schwenken im Vorfeld einer Verzweigung je nach Fahrtrichtung die Weichenarme nach rechts oder links, die im Verzweigungsbereich in seitlich des Fahrwegs montierte Führungsschienen eingreifen. Auf diese Weise kann das Cap ohne Reduzierung seiner Geschwindigkeit in die gewünschte Richtung ausscheren und nachfolgende Caps können die Verzweigung ohne Wartezeiten in jede gewünschte Richtung befahren.
Die Praxis
In Bergisch Gladbach befasst man sich derzeit dezidiert mit dem Thema CargoCap. Eine acht Kilometer lange Rohrleitung soll ein Güterverkehrszentrum an der A4 mit der Innenstadt verbinden. Von dort aus würden Lastenräder und Elektrofahrzeuge die Verteilung übernehmen. Die Stadt hätte dabei finanziell wenig zu verlieren, denn immerhin ist es Prof. Stein gelungen, namhafte Logistik- und Industrieunternehmen für die Finanzierung des rund 60 Millionen Euro teuren Pilotprojektes zu gewinnen. Der nächste Schritt liegt auf der Hand. Sobald vor Ort die Funktionsweise und die Vorteile eines solchen Systems erlebbar werden, wird ein Roll-out erfolgen. So lange träumen wir also von einer verkehrstechnischen Entlastung unserer Ballungsräume, einer besseren Luft und einer schnelleren Logistik!
www.cargocap.de