Bei der vergeblichen Suche nach einem individualisierbaren Kalender hat der US-amerikanische Designer Ryder Carroll kurzerhand sein eigenes, analoges System entwickelt. Unter der Bezeichnung „Bullet Journal“ findet die neue Art des Zeitmanagements so viele Anhänger, dass auch der deutsche Handel von dem Trend profitieren kann.
Zeit-Sammlung: Bullet Journals können sehr kunstvoll geführt werden, wie hier am Beispiel der Serie Bullet Planning von Rössler Papier
Am Anfang ist es sicherlich ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Denn ein Bullet Journal (kurz: BuJo) beginnt mit leeren Seiten. Einzige, unverzichtbare Grundlage sind die Punkte (dot grid), welche die Seiten als Orientierungshilfe überziehen. Dieses neue Planungssystem ist viel mehr als ein Kalender, hier können Ziele gesetzt, Erinnerungen abgelegt und kreative Einfälle festgehalten werden.
Am Ende sollen so alle wichtigen Facetten des eigenen Lebens erfasst und – wenn man den vielen Nutzern glauben darf – ein neues Level an Produktivität erreicht werden.
Grundlage eines BuJos sind die Stichpunkte (Bullets), welche individuell festgelegt werden. Mit Zeichen definiert man die Bereiche: So stehen Punkte für Aufgaben, Striche für Notizen und Kreise für Termine. Sobald man einen der Punkte erledigt hat, wird dieser mit einem „X“ gekennzeichnet, alles was noch übrig bleibt wird über ein „>“ auf den nächsten Tag verschoben oder über ein „<“ auf einen späteren Zeitpunkt verschoben und dort erneut notiert.
Das Grundgerüst besteht aus einem Index, das heißt einem Inhaltsverzeichnis. Es folgt ein Jahresüberblick für Geburtstage und langfristige Events. Im Future Log werden die persönlichen Ziele, welche man verfolgen möchte, festgehalten. Es folgt ein Monthly Overview, von dem die Termine aus dem Jahresüberblick übernommen werden.
Wer möchte, kann dann noch einen Habit Tracker anlegen, in dem es um persönliche Gewohnheiten geht.
Es folgt der Wochenüberblick und schließlich der Daily Log, in dem tagesaktuelle Dinge festgehalten werden können.
Das BuJo sollte in seiner Aufteilung den eigenen Bedürfnissen angepasst werden. Hier sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Auch was das Thema Gestaltung angeht. Ein Bullet Journal kann ganz nüchtern ohne Schnickschnack geführt werden oder – wie über 800.000 Videos bei YouTube zeigen – zu einem kleinen Kunstwerk werden.
Wie auch immer man die Sache angeht. Am Ende sollte man über die handschriftlichen Einträge, Ordnung und Struktur in das eigene Leben bringen. Man braucht etwas Zeit, sich diese analoge Form der Kalenderstruktur anzueignen, aber wer es einmal versucht hat, möchte es nicht mehr missen, das Heft mit den Punkten.
www.bulletjournal.com
Der Gründer des Bullet Journals, Ryder Carroll
Pur wie das Original
Kreative Ideen: Rössler Papier hilft mit Anleitungen und Vorlagen beim Bullet Planning
Kurzinterview
mit Ruth Wolters, Inhaberin von Weyers-Kaatzer in Aachen und bekennende BuJo-Anhängerin.
Frau Wolters, seit wann beobachten Sie den Trend zu Bullet Journals?
>> Ich persönlich habe in 2016 das erste Mal davon gehört, konnte mir aber so gar nichts darunter vorstellen. Im Laufe das vergangenen Jahres habe ich selbst das eine oder andere darüber gelesen und bin durch unseren Lieferanten Leuchtturm 1917 weiter darauf aufmerksam geworden. Der Trend ist ja schon länger in den USA zu beobachten und inzwischen findet man diverse „Interessens-Gruppen“ auf Facebook und Instagram. Ich denke, dass in Deutschland dieser Trend erst so gerade richtig losgeht. <<
Was sind die großen Vorteile dieses Systems?
>> Es ist unglaublich individuell einsetzbar und unabhängig vom klassischen Kalenderjahr, da man jederzeit damit anfangen kann. Ein BuJo „bedient“ dabei mehrere wichtige Aspekte: Einerseits ist Kreativität und Gestaltungsfreude gefragt, egal, ob man sein Buch sehr reduziert oder „ausschweifend“ gestaltet. Beim Eintragen der Termine schreibt man von Hand, was zusätzlich den Nutzen hat, dass man sich alles besser merken kann und so natürlich auch die Feinmotorik unterstützt wird – was wir alle dringend nötig haben! Dazu gibt es auch wissenschaftliche Erhebungen. Dann ist man so flexibel in seiner Einteilung, dass man von einer Wochenplanung auf eine Tagesplanung switchen kann. Oder während der Ferien eben auch mal zwei oder drei Wochen ausfallen lassen kann. Das tut gut! Beim Planen erhalten Sie Struktur und die Abläufe ergeben sich klarer. Sie können zusätzlich sogenannte Tracker verwenden, wie zum Beispiel Schlaftracker, Gewichtstracker, Achtsamkeitstracker und viel mehr. Ich selbst habe eine Kochrezeptsammlung, Bücherlisten, Musiklisten und Geschenkelisten angelegt. <<
Wie lässt sich dieser Trend in Ihrem Geschäft umsetzen?
>> Ausgesprochen gut, da wir ja alles rund ums BuJo verkaufen. Die unterschiedlichsten Dotted-Notizbücher, Masking-Tapes, Sticker, Stifte, Anleitungen et cetera. Zusätzlich bieten wir an den Wochenenden Workshops an, so dass sich „Einsteiger“ erstmal vorab informieren können, ob Bullet-Journaling ein Thema für sie ist. Anfangs ist es schon sehr zeitaufwendig, aber wenn man einmal infiziert ist, macht es unglaublich Freude und ist ein toller Ausgleich zum oft stressigen Alltag. <<
Wie schaffen Sie es, Ihre Kunden davon zu überzeugen, ein Bullet Journal zu führen?
>> Vorleben, eigene Erfahrungen in die Verkaufsgespräche einfließen lassen, auf unseren Instagram-Account, unsere Facebookseite und unsere Website hinweisen und nicht zuletzt durch unser Workshop-Angebot. Wer Bullet-Journaling interessant findet, der mag in der Regel auch Lettering- und Kalligrafie-Workshops. Wir merken bei uns im Haus, dass der Bedarf nach dieser Art von „Entschleunigung“ weiter wächst. Und warum sollte ich meinen Kunden nicht auch das gönnen, wovon ich überzeugt bin und worin wir wirklich gut sind :-). <<
Trend-Setterin: Ruth Wolters,Weyers-Kaatzer, beobachtet intensiv die Entwicklung des Marktes