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Bio-Kunststoff – PLA-Produkte sind im Kommen

Kunststoffe begleiten den modernen Menschen im Alltag. Mehrere Faktoren machen jedoch ein Umdenken hin zu neuen, relativ natürlichen Materialien nötig. Als Alternative bewährt sich mit PLA ein Kunststoff auf Milchsäure-Basis.

Naturfaserverstärkt – Designer-Highheels aus den Niederlanden (Foto: Chris van den Elzen/ FKuR Kunststoff GmbH)

Kunststoffe sind aus der modernen Welt nicht mehr wegzudenken. Was schon vor mehreren Jahrhunderten mit Naturmaterialien begann, die sich zum Beispiel wie das geronnene Milchprotein Kasein zu Kunsthorn oder das Baumharz Kautschuk zu Gummi weiter verarbeiten ließen, bekam durch die Industrialisierung im 19. Jahrhundert einen starken Schub.
In den 1930er etablierten sich dann vollsynthetische, petrochemisch beziehungsweise industriell produzierte Materialien wie etwa Bakelit auf Basis fossiler Rohstoffe wie Erdöl und Steinkohle. Seit den Neunziger Jahren werden wieder verstärkt Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen erforscht und entwickelt. Derzeit künden verschiedene Debatten und Maßnahmen von einer neuen Ära, etwa die Diskussionen um die Abfallberge an Verpackungsmaterial, den Plastikmüll in den Ozeanen und die hohen Erdölpreise sowie die neue EU-Verordnung, die den Gebrauch von Plastiktüten eindämmen will, und der modernistische Nachhaltigkeitsfokus in der Wirtschaft.
„Neben dem Ziel, die Eigenschaften der Produkte zu verbessern und die Herstellungskosten zu verringern, trugen Probleme in der Abfallwirtschaft, das Gewahrwerden der Begrenztheit fossiler Rohstoffe und die allgemeine Diskussion über treibhausrelevante Gase dazu bei, dass wieder verstärkt nachwachsende Rohstoffe zur Herstellung von Kunststoffen zum Einsatz kommen“, heißt es beim Umweltbundamt in Berlin.

Natur als chemische Fabrik

Diese Entwicklung beflügeln vor allem Ideen und Konzepte, recyclebare oder biologisch abbaubare Materialien und Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen zu schaffen. So ließ jüngst die Nachricht aufhorchen, dass Künstler und Wissenschaftler aus Halle an der Saale mit Pilzschwämmen experimentieren. Mit Hilfe eines Gärsubstrats aus Stroh, Kaffee und Getreide wachsen die Pilzkulturen in quaderförmigen Schalen zu etwa drei Zentimeter dicken Platten heran, die sich zu Verpackungsmaterial, Möbeln und weiteren Produkten weiter verarbeiten ließen.
Dabei sind solche Verfahren nicht neu, wie immer mehr biotechnisch hergestellte Vorprodukte etwa zu Lebensmitteln, Arzneien, Chemikalien, Reinigungs- und Waschmitteln zeigen. Riesige Förderprojekte in Deutschland, der Europäischen Union oder den USA puschen die sogenannte Weiße Biotechnologie. „Diese nutzt die Natur als chemische Fabrik. Herkömmliche chemische Produktionsprozesse werden durch den Einsatz von Mikroorganismen oder Enzymen ersetzt“, erläutert Prof. Thomas Hirth von der Fraunhofer-Gesellschaft, hier vom Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB).

Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Weiße Biotechnologie spart die konventionellen Syntheseschritte mit hohem Druck, hohen Temperaturen und entsprechend hohen Sicherheitsmaßnahmen ein und senkt den Bedarf an Rohstoffen und Energie sowie die Emissionen. Das schont die Umwelt und spart deutlich Produktionskosten ein.

Mikroorganismen und Enzyme

Die Weiße Biotechnologie hat so viele Vorteile und Perspektiven, dass neben dem IGB im badischen Pfinztal auch weitere renommierte Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam und das Fraunhofer-Institut für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie (IME) in Aachen daran arbeiten. Die Institute sind Teil eines ehrgeizigen Forschungsprogramms und Aktionsplans der Bunderegierung. Ziel sei es, die ganze Prozesskette von der Pflanze bis zum fertigen Produkt abzubilden und dabei die Pflanzeneigenschaften mit Blick auf die Verarbeitung stetig zu verbessern, betont Professor Hirth und ergänzt: „Der Ausgangsstoff muss zuverlässig und nachhaltig in konstanter Qualität und zu wettbewerbsfähigen Preisen verfügbar sein.“
Im Blickpunkt stehen vor allem Getreide, Hülsenfrüchte, Bäume und Ölpflanzen, aber auch Algen, die ein riesiges, aber bisher kaum erschlossenes Spektrum verschiedener chemischer Verbindungen produzieren. Die Forscher entdecken immer mehr organische Verbindungen beziehungsweise Enzyme, die bestimmte Moleküle aufspalten und chemische Reaktionen hervorbringen können, optimieren das wässrige Milieu für Mikroorganismen und Enzyme weiter und entwickeln neue Verfahren zum Extrahieren wichtiger Stoffe.

Biofill-Faser – Ausgangsmaterial Pflanzenstärke (Foto: Paradies GmbH)

Soma-Wasserfilter mit PLA-Komponenten (Foto: Soma Water, Inc./ FKuR Kunststoff GmbH)

Polyactid als Alternative

Ein Ergebnis dieser wissenschaftlichen Arbeit ist bereits seit geraumer Zeit auf dem Markt und schon in der ein oder anderen Produktbeschreibung aufgeführt: Polymilchsäure oder Polylactid, kurz: PLA. Grundbausteine des Biokunststoffs sind Zucker oder Stärke, also Kohlenhydrate, die aus Mais, Zuckerrüben, Weizen- oder Roggenmehl gewonnen und in Fermentieranlagen von Mikroorganismen in Milchsäure umgewandelt werden. Diese lässt sich wiederum zu langen Ketten und damit zu Polymilchsäure zusammenfügen.
„Polylactid kann mit denselben Produktionsverfahren verarbeitet werden wie herkömmliche Kunststoffe – vor allem mit der verbreiteten Spritzgusstechnik“, sagt Johannes Ganster, der beim IAP den Forschungsbereich Biopolymere leitet. Die Endprodukte selber sind ähnlich beständig und stabil wie petrolbasiertes Plastik, je nach Bedarf entweder hochtransparent oder opak (lichtundurchlässig), dazu fett- und ölbeständig, lebensmittelecht und bedruckbar sowie weitgehend recycelbar und biologisch abbaubar. Zudem ist das Material leichter als viele andere Verbundwerkstoffe und kann sowohl als Faserbündel als auch Granulat weiter verarbeitet werden. Damit kommt es schon in 3D-Druckern zum Einsatz.
Aufgrund der guten Basiseigenschaften finden sich PLA-basierte Produkte derzeit vor allem bei alltäglichen Dingen wie Schutzfolien, Luftpolsterbeuteln, Flaschen und anderen Transport- und Lebensmittelverpackungen, ferner bei Tüten, Kosmetikdöschen, Plastikgeschirr für Veranstaltungen und Plastik-Chipkarten. Außerdem sind Füllmaterialien für Handschuhe, Jacken oder Schlafsäcke, Textilfasern für Bekleidung, Heimtextilien, und Verkleidungen sowie einfache Konsumgüter aus PLA wie etwa Sparschweine, Quietscheentchen, Camping-Geschirr, Werbe-Kugelschreiber oder klammerlose Hefter bereits erhältlich.

Einfach und ausgeklügelt

Darüber hinaus entwickeln Verarbeitungsspezialisten wie die Firma FKuR Kunststoff im niederrheinischen Willich in Zusammenarbeit mit Herstellern und Designern auch ausgeklügelte Produkte aus PLA-Material. So bietet das US-amerikanische Crowdfunding-Unternehmen Soma Water seinen Wasserfilter Soma aus PLA-Komponenten an und hat der niederländische Modedesigner Chris van den Elzen exzentrische Schuhe mit Highheel-Sohlen aus dem naturfaserverstärkten Biopolymer kreiert.
Die deutschen und amerikanischen Kuli-Hersteller Senator und Paper Mate führen zum Beispiel mit formschönen und bunten Artikeln wie den Druckkugelschreiber-Linien „Nature Plus“ und „Eco Element“ ebenfalls PLA-Produkte in ihrem Portfolio. Der Küchenhelfer- und Accessoires-Anbieter Radbag hat hierzulande den weltweit beliebten Rice Cube im Sortiment- mit dem Würfel aus Biokunststoff lassen sich Reiswürfel formen und damit der Sushi-Trend gut bedienen.
Der deutsche Bettenspezialist Paradies stattet seine Artikel auch mit modernen Fasern auf natürlicher Basis aus. So steckt zum Beispiel im Unterbett „Ovella“ ein Mix aus Schurwolle und Biofill-Faser. Die Textilfaser sorgt mit ihrem PLA-Anteil dafür, dass die Bettauflage gleichzeitig leicht, warm, trocken und kuschelig bei langlebigem Bausch und beständiger Waschbarkeit ist.
Die dezidierten Produktbeispiele zeigen, dass das PLA-Ausgangsmaterial am besten auf den Nutzen abgestimmt wird. Für bestimmte Anwendungen ist es noch nicht hitzestabil genug, so dass es weich werden kann, und teilweise auch noch zu spröde. Außerdem geben Umweltschützer und Abfallentsorger zu bedenken, dass auch bei der PLA-Produktion chemische und damit durchaus umweltbelastende Prozesse stattfinden, vermehrt gentechnisch manipulierte oder eigentlich für die Nahrungsversorgung gedachte Pflanzen im Spiel sein könnten und die großtechnische Kompostierbarkeit der Endprodukte noch nicht gesichert oder wegen der „Störstoffe“ nicht erwünscht ist.
Die Erwartungen an Biokunststoffe sind sehr hoch und die Fortschritte in der Forschung aber schon recht erfreulich. Angesichts verknappter fossiler Ressourcen, verschärfter Klimapolitik, weiter steigendem Umweltbewusstsein und der Wettbewerbsfähigkeit werden Biokunststoffe wie PLA den Weg in die Endprodukte der Zukunft ebnen. So prognostizieren die Institute European Bioplastics und Nova in einer gemeinsamen Studie einen fast verfünffachten Anstieg der Produktionskapazitäten in den Jahren 2012 bis 2018, wie es das Schaubild zeigt.
Arnd Westerdorf

Biofill-Decke – Biofaser vereint mehrere Vorteile (Foto: Paradies GmbH)