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Beton – Grau erobert die Küche

Der unprätentiöse Werkstoff Beton hält hierzulande Einzug in Küchen und Esszimmer. Neben den Eigenschaften des Materials und seiner vielseitigen Verwendbarkeit besticht Beton durchaus auch unter ästhetischen Gesichtspunkten.

Augenschmaus aus Beton?! Materialkomponenten zeigen sich von einer ungeahnten Seite (Foto: ©Leicht Küchen)

Der Vintage-Look und seine Gebrauchsspuren sind weiterhin in Mode. Damit hat auch „brachialer Industrieschick“, wie es vor geraumer Zeit der Trendbericht eines Fernsehsenders beschrieb, Einzug in deutsche Wohnungen und Räumlichkeiten gehalten. Alles dürfe etwas roher, rauer und schäbiger wirken, hieß es in dem Bericht mit Verweis auf die Trendanalystin Gabriela Kaiser: „Diese Einrichtung wirkt natürlich archaisch“.
Die Einrichtungsplattform solebich.de, die sich „als größte deutsche Wohncommunity“ bezeichnet, zählt Beton ausdrücklich zu den Wohntrends 2015. Das gilt auch, erst recht oder trotzdem für den Küchenbereich. Schließlich ist Beton ein Material, das im unverhüllten Zustand auf die meisten Betrachter grau, trocken, hart und kalt wirkt. Sichtbeton hat bei Gebäuden einen allzu funktionalen, ungeschliffenen, kühlen und mitunter abweisenden Charakter, so dass der Baustoff kaum in jene Küchen- und Essbereiche zu passen scheint, mit denen sich immer noch Merkmale wie Gemütlichkeit, Sinnlichkeit, Wärme und soziale Nähe verbinden.
Das Bild vom spröden Beton will das „Informationszentrum Beton“ aus Erkrath mit Gegenbeispielen korrigieren. Die in der Nähe von Düsseldorf beheimatete Marketing- und Lobbyzentrale der deutschen Zement- und Betonindustrie spricht zum Beispiel beim Neubau einer Schulmensa im pfälzischen Neunburg „von einem Augenschmaus“. Die Betonfreunde verzückt, dass sich der äußere Sichtbeton an den Innenwänden wiederfindet: „Es ist jedoch eine Art der Spiegelung, die aufzeigt, wie sehr sich der Werkstoff Beton in den letzten Jahrzehnten emanzipiert hat.“ Damit  gehe hier „die fast spürbare, holzartige Wärme im Innenraum“ und „die organische Struktur, die durch feine Maserung der Schalung entstanden“ einher, so das Informationszentrum Beton.

Widersprüchliches Material

„Beton polarisiert“, wissen die Einzelunternehmerin Clara Louise Lerch und Kollege Lukas von Schwanenflügel von der „Betonwerkstatt“ in Berlin. Sie kennen die Assoziationen rund um Plattenbausiedlungen und den angeblich ungemütlichen Charakter, verweisen aber auf das Gegenteil: „Beton ist ein besonderer Werkstoff, der nicht nur praktische, sondern vor allem auch ästhetische Qualitäten besitzt. Möglichkeiten der Form- und Farbgebung sind nahezu unendlich vorhanden, Oberflächen können geschliffen, poliert, imprägniert, geölt, gewachst, lackiert oder glasiert werden.“ So seien Oberflächen in verschiedenen Qualitäten möglich – von spiegelglatt bis rau und uneben – genauso Ausschnitte, Vertiefungen und Auslassungen sowie eingelassene oder integrierte Elemente aus anderen Materialien, betonen die beiden Küchenplaner. Die Anbieter von der Betonwerkstatt stellen unter anderem eigene Küchenarbeitsplatten, damit verbundene Spülbecken und polierte Ablageschalen aus Beton her. Auch andere Architekten, Handwerker, Designer und Spezialanbieter schätzen sowohl die Materialeigenschaften und Bearbeitungsmöglichkeiten als auch die optischen Effekte des Werksstoffs. „Beton ist ein zeitloses Material welches, wenn es im Möbelbau angewendet wird, seinen ganz eigenen Charakter hat“, weiß Christian König von der Firma „Formdimensionen“. Der Möbeldesigner aus dem hessischen Großkrotzenburg schwärmt von der „grandiosen Stimmung“, wenn vermeintlich konträre Materialien wie Beton und Holz kombiniert werden.

Hocker und Esstisch: teil- bis vollmassiv (Foto: Jung und Grau)

Concrete C Küchenmöbel von Leicht: hauchdünne Betonschicht (Foto: Leicht Küchen)

Puristisch bis eigenwillig

„Puristisch umgesetzt, entfaltet Beton eine starke Wirkung im Raum“, heißt es beim Möbelhersteller Leicht Küchen. Bei anderen Anbietern ist die Rede von der „Patina, die vor allem glatter Beton mit der Zeit und durch vieles Benutzen entwickelt“ und von mancher Terrazzo-Optik, die dem Glanz und der Oberfläche jener angeschliffenen Platten ähnelt. Außerdem gelten Betonobjekte als Unikate, die sich in verschiedensten Grautönen, kleinen Lufteinschlüssen und sichtbaren Materialschichtungen widerspiegeln. Bei den Hänge- und Tischleuchten der Kölner Möbelwerkstatt „Dua“ wirken die Lampen wie gefaltetes Papier, sind aber tatsächlich aus geschwenktem Beton. „Die Eigenschaft von Beton, die Oberfläche der verwendeten Schalung präzise abzubilden, wird dem Entwurf zunutze gemacht“, erklärt Dua-Inhaber Alexander Esslinger und ergänzt: „Die fertigen Schirme unterscheiden sich durch eigenwillige Kanten, Knicke und Falten.“
Dagegen spielt der dänische Hersteller „Menu“ bei seinen Kerzenhaltern der Produktreihe „Weight Here“ mit der massiven und klaren Optik von Beton. Allerdings steckt hinter dem nach Herstellerangaben „fast schon archaisch wirkenden Material“ der leichtere Kunststoff Polystone. Damit deutet der Hersteller einen Nachteil von Beton an, den der Spezialist „Formdimensionen“ deutlich anspricht: Möbel aus massivem Beton können recht schwer sein, sodass vor allem in Altbauten die Statik der Decke zu berücksichtigen sei.

Nachfrage ist anscheinend da

Deshalb findet sich Beton in den Küchenmöbeln und Arbeitsplatten anderer Anbieter mitunter nur als Oberflächenschicht wieder: Bei den Möbelfronten der Concrete A Serie von Leicht Küchen oder Horizon Forum Stucco von Zeyko Küchen wird ein MDF-Träger (Mitteldichte Holzfaserplatte) mit Polyester gefüllt, lackiert und eine feine Betonschicht von nur 0,5 bis einem Millimeter Stärke aufgespachtelt. So entstehe ein authentisches, einmaliges Oberflächenbild mit Strukturen, die das Licht unterschiedlich brechen und die Front zum Leben erwecken würden, heißt es beim schwäbischen Hersteller Leicht.
Auch die Manufaktur Jung und Grau aus Mönchengladbach verweist darauf, dass „Möbel aus Beton ein spezielles Flair verbreiten. Sie strahlen Stärke und Charakter aus.“ Der Anbieter offeriert unter anderem massive Esstisch-Hocker und Tischplatten aus Beton.
Die Betonprodukte für den Küchenbereich scheinen den Geschmack einer designorientierten Zielgruppe zu treffen. Das belegen weitere kleine Spezialisten wie etwa die Accessoire-Manufaktur Korn Produkte aus Kassel und der Möbel- wie Leuchtenspezialist Beton Cube aus Mainz genauso wie der bekannte Schneidwerkzeug-Hersteller Wüsthof aus Solingen. Und der Zeyko-Partner Möbel Herten aus Langerwehe sieht bei den Innovationen der vergangenen Fachmesse „Küchenmeile A 30“ in den Stucco-Komponenten einen „absoluten Publikumsliebling“. Dabei sollen Gebrauchstauglichkeit, Beständigkeit und auch der moderate Preis für das Produkt stehen, betont der Fachhändler aus der Voreifel.
Bleibt nur noch zu sagen, dass die neuen Trendprodukte aus Beton, durch neue Materialmischungen oder -entwicklungen möglich geworden und lebensmittelecht wie auch abnutzungs- und verschmutzungsbeständig behandelt sind.  
Arnd Westerdorf

Bekannter Anbieter Wüsthof: Messerblock mit ungewöhnlicher Ummantelung (Foto: Ed. Wüsthof Dreizackwerk)