Sie sind ein Erlebnis, noch bevor man mit den Lippen ihren Rand berührt hat. Mit der neuen Konzeptserie Air Sense, die das schwedische Design-Duo Bernadotte & Kylberg für Zwiesel Kristallglas entworfen hat, lassen sich Weine dank einer integrierten Glaskugel dekantieren und Champagnerbläschen zu einem Kunstwerk zähmen. Wir sprachen mit den beiden Designern während der Ambiente in Frankfurt nicht nur über Luft und blickten mit dem Sommelier und Geschäftsführer des International Wine Institute Alexander Kohnen ganz tief ins Glas.
Eine integrierte Glaskugel bei der neuen Serie Air Sense von Zwiesel 1872 ermöglicht das Dekantieren des Weines beim Einschenken
Schon Kleopatra liebte es, wenn man den Ausführungen von René Goscinny bei „Asterix in Ägypten“ glauben darf, ihren Wein auf Perlen zu trinken. Das war Dekadenz pur, denn die schimmernden Gebilde lösten sich unter der Säure auf und demonstrierten ihrer Umgebung Reichtum und Macht.
Vielleicht waren es aber gerade diese kleinen Kugeln im Glas, die beim Eingießen den Wein lüfteten und somit zu einem gesteigerten Geschmackserlebnis der Königin führten. Was man damals im alten Ägypten möglicherweise schon erahnte, ist heute Gewissheit: Wein braucht Luft!
Unendlich viele Variationen von Dekantern erfüllen diese Aufgabe, während anschließend im Glas nicht mehr viel passiert. Es brauchte junge, praktisch denkende Designer, aus einem Land, das erst seit der Klimaerwärmung überhaupt an Weinbau denken kann … und vielleicht ein bisschen königliches Blut … um dies zu ändern. Wir sprachen auf der Ambiente in Frankfurt mit den Designern Prinz Carl Philip von Schweden und Oscar Kylberg.
Trend&Style: Seit dem Jahr 2012 arbeiten Sie zusammen. Wie haben Sie sich kennengelernt und wann entstand die Idee, als Team zu arbeiten?
Kylberg: Im Grunde genommen haben wir uns ganz privat über Freunde und das gemeinsame Studium an der Stockholmer Forsberg Skola kennengelernt. Man hat sich dadurch in regelmäßigen Abständen getroffen und ist in Kontakt geblieben. Noch bevor wir als Design-Team zusammengekommen sind, haben wir uns gegenseitig bei der Entwicklung von Ideen und Designs unterstützt. 2012 haben wir uns dazu entschieden, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Das war ein guter Zeitpunkt, da viele Projekte anstanden und wir zunächst aus praktischen Gründen in Erwägung zogen, dies gemeinsam zu machen.
Bernadotte: Als wir uns regelmäßig sahen, stellte sich schnell heraus, dass wir oft dieselben Ideen hatten und eine ganz ähnliche Herangehensweise an Fragestellungen. Es war daher ein logischer Folgeschritt, gemeinsam weiterzuarbeiten.
Trend&Style: In einem Interview wurden Sie mit Zwillingen verglichen. Stimmt das?
Kylberg: Wenn man so eng zusammenarbeitet, entwickelt man eine eigene Sprache und benutzt spezielle Wörter. Der andere versteht dann sofort, was man ausdrücken möchte. Diese ganz eigene Art der Kommunikation erinnert möglicherweise ein bisschen an Zwillinge.
Trend&Style: Ist es im Arbeitsprozess schwierig, zwei Meinungen zusammen zu bringen?
Bernadotte: Natürlich sind wir nicht immer einer Meinung, aber wir haben eine ganz ähnliche Art, Problemlösungen zu finden – auch wenn wir uns teilweise von unterschiedlichen Seiten nähern. Wenn einer von links und einer von rechts kommt, dann trifft man sich am Ende doch auch in der Mitte.
Kylberg: Für den Arbeitsprozess ist die Diskussion ungemein wichtig. Wir arbeiten eigentlich in einem ständigen Austausch. Man hat dabei nie das Gefühl, dass der eine recht hat und der andere nicht. Das ist ein sehr erhabenes Gefühl, so miteinander kommunizieren und arbeiten zu können.
Trend&Style: Wie sieht ein für BK typisches Objekt aus?
Bernadotte: Unsere Objekte entstehen immer aus einem konkreten Nutzen. Wir fragen uns als erstes, wozu kann man ein solches Produkt gebrauchen. Aber man könnte nicht sagen, dass wir eine typische Design-Sprache hätten, die sich wie ein roter Faden durch unsere Arbeit zieht. Die Problemlösung ist immer der zentrale Punkt, dem wir uns auf immer wieder neuen Wegen annähern. So sind manche unsere Entwürfe sehr puristisch, während andere Strukturen und Muster aufweisen.
Prinz Carl Philip von Schweden und Oscar Kylberg (von links) (Fotonachweis: Morgan Norman, Copyright Bernadotte & Kylberg)
Zarte Wasserreflexionen spiegeln sich auf den neuen Vasen Horizon aus der Stockholm-Serie von Bernadotte & Kylberg für Stelton wider
Formvollendet: Die neue Serie Air von Schott Zwiesel wurde von Bernadotte & Kylberg entwickelt
Trend&Style: Ihr funktionales Design ist sehr modern. Aber Sie sind auch mit den vier Elementen verbunden, beziehungsweise meines Erachtens – mit drei. Für den Porzellanhersteller Gustavsberg haben Sie sich bei der Serie „Svenska Dour“ mit Hasen und Maulwürfen der Erde genähert. Wasser war wichtig für die Vasen „Aquatic“ von Stelton und nun geht es bei der neuen Zwiesel Kristallglas Serie um das Thema „Luft“. Was fasziniert Sie so an diesen Elementen?
Kylberg: Wir sind unserer natürlichen Umgebung sehr verbunden. Das kann man besonders gut an unseren Textil-Kollektionen erkennen. Wir sind beide Jäger und verbringen daher viel Zeit in der Natur. Wenn man genau hinschaut, findet man dort unendlich viele Formen, Oberflächen und Farben.
Bernadotte: Ja, genau. Es gibt so viele wundervolle Dinge, die wirklich „Natur pur“ sind, zu entdecken. Eigentlich gibt es überhaupt keinen Weg, mit der Natur in Wettbewerb zu treten. Wenn man sich Austern, Muscheln oder auch nur Wasser anschaut … das ist doch mit keinem Design zu übertreffen. Selbst wenn man es versucht, kann man eigentlich nur scheitern.
Trend&Style: Gläser sind schwierige Designobjekte. Es ist fast unmöglich, etwas Neues zu erfinden. Aber Ihnen ist es mit der Serie Air Sense gelungen. Wie kam es dazu?
Kylberg: Es ist oft schwierig festzuhalten, wann genau eine Idee entstanden ist. Wir haben an einem Dekanter gearbeitet und hier mit verschiedenen Mitteln versucht, den Belüftungs-Effekt zu verbessern. Irgendwann fragten wir uns, warum das Thema Dekantieren bei den Gläsern stoppt. Bisher hat in deren Innerem noch nie etwas nennenswertes stattgefunden und wir fragten uns, wie man den Dekantier-Effekt im Glas fortsetzen könnte. Und dabei dachten wir uns, warum könnten wir nicht eine Kugel zur Entlüftung in das Glas integrieren? So haben wir es letztendlich auch gemacht und das Resultat unserer Überlegungen war Air Sense. So war es unsere Zielsetzung, Gläser zu entwerfen, die sensorisch perfekt ausbalanciert und den bekanntesten Wein-Stilistiken angepasst sind. Wir haben mit Zwiesel Kristallglas zwei Serien entwickelt: Zum einen die maschinell gefertigte Version Air unter der Marke Schott Zwiesel und zum anderen die mundgeblasene Variante Air Sense unter der Manufakturmarke Zwiesel 1872. Wir hoffen, dass sowohl Air als auch Air Sense ein ganz besonderes Trinkerlebnis ermöglichen – nicht nur optisch, sondern auch haptisch!
Trend&Style: Wie lange hat es gedauert, die richtige Kugelgröße zu finden?
Bernadotte: Das war wirklich ein sehr langer Prozess. Wir hatten unendlich viele Größen von Kugeln und mussten es einfach austesten. Sobald eine Variante in die engere Wahl kam, ließen wir Experten aus den Gläsern Wein beziehungsweise Champagner probieren, machten sie dann entsprechend größer und kleiner und achteten immer darauf, dass das Verhältnis der Kugel zum Glas stimmt.
Trend&Style: Was war am Ende bei der finalen Umsetzung ausschlaggebend: der Geschmack oder das Design?
Kylberg: Beides. Wir sind beide keine Experten in Sachen Wein, daher war für uns das Verhältnis zu den Proportionen des Glases zunächst entscheidend. Die Kugeln sollten den richtigen Platz finden und die richtige Balance haben. Für den geschmacklichen Bereich wurden uns Sommeliers zur Seite gestellt, die uns bei der Entwicklung unterstützten. Wir denken, dass beide Aspekte in diesen Gläsern zu einem schönen und formvollendeten Einklang zusammengefunden haben. Das entspricht unseren Vorstellungen von „form follows function“.
Trend&Style: Mit Air Sense haben Sie etwas ganz Einzigartiges geschaffen. Warum haben Sie darüber hinaus noch die Serie Air entwickelt?
Kylberg: Wir haben diese Serie für all diejenigen entwickelt, die ihren Wein beziehungsweise Sekt oder Champagner nicht dekantieren möchten. So kann jeder Konsument für sich die richtige Zusammenstellung der Gläser für die verschiedenen Weinsortimente finden.
Svenska Djur, nennt sich die Porzellanserie, die BK für Gustavsberg entworfen hat
Die Version Air von Schott Zwiesel wird aus Tritan Protect gefertigt. Eine speziell vergütete Stieloberfläche erhöht die Bruchfestigkeit
Trend&Style: Hat man mit Ihren Gläsern bei Wein beziehungsweise Champagner ein anderes Geschmackserlebnis?
Kylberg: Wir hoffen, dass der Charakter und die Aromen des Weins und Champagners dank unseres Designs positiv entfalten. Bisher haben wir glücklicherweise sehr positives Feedback von verschiendenen Sommeliers bekommen, die uns bestätigt haben, dass man sich den feinen Aromen des Weins auf diese Art und Weise besser sensorisch nähern könne. Aber am Ende entscheidet die Meinung all derjenigen, die aus unseren Gläsern trinken. Auf deren Urteil sind wir schon sehr gespannt!
Trend&Style: Warum haben Sie sich für Zwiesel Kristallglas als Kooperationspartner entschieden?
Kylberg: Wir haben uns intensiv mit dem Thema der Glasherstellung beschäftigt. Bei Zwiesel Kristallglas hat uns der hohe Qualitätsstandard überzeugt, nicht nur in der Produktion, sondern auch in Sachen Nachhaltigkeit. Am Ende waren es so viele verschiedene Aspekte, die für eine Kooperation mit Zwiesel Kristallglas sprachen, dass es im Grund genommen für uns keine Alternative mehr gab. Wir hatten uns in den Kopf gesetzt, sehr leichte und zarte Gläser zu machen.
Bernadotte: Das war genau der Punkt, wir kamen mit einer Idee und Zwiesel Kristallglas war in der Lage, unsere Vorstellungen technisch umzusetzen.
Kylberg: Am Anfang waren wir wirklich nervös. Wir kamen mit einer völlig neuen Idee, von der wir überhaupt nicht wussten, ob sie funktionieren könnte, in ein Unternehmen, das über höchstes Wissen verfügt. Als ein positives Feedback kam, waren wir sehr erleichtert!
Bernadotte: Man kann wirklich sagen, dass es eine sehr große Herausforderung für alle Beteiligten war und es hat uns sehr imponiert, wie gut es mit der Umsetzung am Ende geklappt hat.
Trend&Style: Was sind Ihre Lieblingsgetränke und aus welchen Gläsern trinken Sie diese?
Kylberg: Das kommt immer darauf an, was man dazu isst und in welcher Situation man sich befindet.
Bernadotte: Ja, das stimmt, die Umgebung ist wirklich ganz entscheidend. So ist es zum Beispiel etwa völlig anderes, ob man mit Freunden an einem Tisch sitzt oder ein offizielles Essen hat. Ich denke, es ist immer von der Situation, dem Essen und der Begleitung abhängig.
Trend&Style: Ich habe Sie beide vergangenes Jahr während der Stelton-Pressekonferenz erlebt. Als ich die Einladung bekam war mein erster Gedanke: ein Prinz arbeitet gemeinsam mit einem Designer – also mischt sich repräsentativer Glamour mit echtem Design, beziehungsweise Handwerk. Aber ich lag falsch. Sie haben beide prominente Familien mit künstlerischem Hintergrund und Sie haben beide an der selben Designhochschule studiert. Stört Sie dieses Klischee oder ist es vielleicht sogar das Geheimnis Ihres Erfolges?
Bernadotte: Wir haben Maler und Designer in meiner Familie, das ist natürlich ein schönes Erbe, beinhaltet aber auch immer einen gewissen Druck. Man muss dann mit der Zeit lernen, dass es nicht gut ist, sich zu vergleichen. So habe ich einen ganz anderen Ansatz gewählt, der sich im Laufe der Zeit zu meinem ganz eigenen Stil und zusammen mit Oscar zu dem Stil von Bernadotte & Kylberg entwickelt hat.
Kylberg: Das was Sie ansprechen, ist uns natürlich auch schon oft zu Ohren gekommen. Aber wir haben uns schon sehr früh dazu entschieden, uns nicht darum zu kümmern. Wir machen, wie schon gesagt, einfach unser Ding. Carl-Philip ist ein wirklich guter Freund und darüber hinaus auch noch mein Design-Partner. Und das ist so, wie es ist. Er arbeitet genauso viel wie ich. Er hat an allem, was wir machen, einen Anteil von mindestens 50 Prozent. So sind wir!
Trend&Style: Sie haben eine sehr sympathische Art auf Pressekonferenzen Ihre Produkte vorzustellen. Wie machen Sie das?
Kylberg: Wenn wir zu Menschen sprechen, möchten wir das genau so machen, wir wir das unter uns tun. So präsentieren wir eher in einem Dialog als in einem festgelegten Schema.
Bernadotte:Das ist ganz grundsätzlich unsere Art, miteinander umzugehen. Sei es bei der Arbeit oder auch ganz privat. Wenn wir zusammen arbeiten, dann treiben wir uns über den Austausch immer gegenseitig an. Somit haben wir unsere Antworten immer bei uns. Es ist schön und natürlich etwas ganz einzigartiges, so in Verbindung zu stehen.
Ein Tablett und Glas-Untersetzer aus der Serie Kaleido, entworfen von BK für Åhléns