Über kaum ein anderes Getränk wird so viel gefachsimpelt wie über Wein. Sie meinen, da sei alles gesagt? Falsch gedacht, denn Justin Leone bringt neue und unbekannte Seiten des Weins zum Klingen. Das perfekte Bargeflüster!
Ein ganz eigener „Cuvée“ aus Sommelier, Autor, Punkrocker, Modefreak und Lebenskünstler: Geboren in Kanada, aufgewachsen in den USA, lebt Justin Leone derzeit in seiner Wahlheimat München (Fotonachweis: ©Mike Krueger) / Beim pfälzischen Weingut Brand, dessen Bioland-Weine via Spontanvergährung entstehen, malt Omi die Etiketten
Für Justin Leone ist Wein überall. Seiner Meinung nach fehlt uns nur die Übersetzung. Treten wir also ein, in seine neue Wein-Welt, in der Winzer Dirigenten sind, Weinberge die Symphonien schreiben und Konzertsäle den Jahrgang aufzeichnen. Wo jede Rebsorte ein Rockstar ist, und die mitgelieferten Playlists das sinnliche Abenteuer vervollständigen. Mit dem Buch „just wine – Weinwissen ohne Bullshit“ soll der schlummernde, glückselig berauschte, bacchantische Poet geweckt werden und das ohne „pseudo-elitären Weinsprech“.
So teilt der Rockmusiker und Weinkenner mit uns nicht nur sein unglaubliches Wissen, sondern auch seine Liebe zur Musik: „Manchmal kommt man zur völligen Durchdringung eines bestimmten Themas nur, wenn man es von einer ganz und gar unkonventionellen Seite angeht. Und indem man bislang noch nicht beschrittene Wege geht, können Themen, die seit Langem für erforscht, erledigt und als Schnee von gestern gehalten wurden, in neuem Licht gesehen werden. All die Stunden im Konservatorium, in denen ich Harmonielehre paukte, die Komposition von Symphonien zerlegte oder die Theorie komplexer Akkordfolgen analysierte, haben am Ende zwar keinen Weltklasse-Kontrabassisten aus mir gemacht, aber sie haben mir ermöglicht, meinen ganz eigenen Ansatz zu finden, die Seele des Weins durch und durch zu verstehen. Und du kannst das auch. Und falls du nicht weisst, wo du anfangen sollst, dann vergessen wir mal fürs Erste den ganzen chemischen und geologischen Quatsch und nähern uns dem Wein von einer Seite, die wir alle lieben und von der wir ständig umgeben sind, ob wir wollen oder nicht: der Musik.“
Klingende Trauben
Sie fragen sich, wie das geht? Hier kommt der Riesling: „Cool, berechnend, präzise, brillant und irgendwie rätselhaft ist diese Rebsorte. Niemand verkörpert sie besser als Thom Yorke von Radiohead. Spiel einfach ‚Airbag‘ mit direktem Übergang in ‚Paranoid Android‘ ab, und du hast eine grandiose, eindringliche akustische Übersetzung dieser Sorte. Die gespenstisch-roboterhafte Stimme, die tief im Hintergrund schwebt, unterstreicht Yorkes wildes Genie, den Kampf zwischen Bewusstem und Unterbewusstem als archetypischen Gegensatz von Mensch und Technik. Sie spiegelt die unnachgiebige Struktur der Riesling-Traube, die auf den steilsten, schwindelerregend abschüssigen Steillagen Deutschlands geboren wurde. Einfach genial.“
Wenn Weinsorten singen könnten, dann würde sich das beim Riesling nach Justin Leone ungefähr so anhören
Kaum eine andere Traube hat den Weg auf jedes freie Körperteil tätowierter Wein-Hipster gefunden und nach Justin Leone müsse selbst ein kompletter Ignorant zugeben, dass sie einfach umwerfend ist, diese Vorbotin der Anti-Apokalypse: „Wenn die Erde im nuklearen Inferno untergeht, werden nur Kakerlaken und Riesling übrig bleiben. Sie ist kalt und mechanisch wie ein schwereloses Monster aus Stahl. Rasiermesserscharf und chirurgisch präzise. Kurz: Sie ist eine verdammte Deutsche.“ Aber auch auf der gesamten Welt tauchen hervorragende Rieslinge auf: Neben der österreichischen Wachau und dem Elsass reift auch im Clare Valley in Australien ein Außenseiter heran: „Hier zeigt sich die Rebe eher floral und mit mehr elektrisierender Zitrusfrucht als die zuvor Genannten, ohne die stechende Note einer neuen Tennisballdose, wie bei einigen neuseeländische Exemplaren.“ Und da sind sie, seine grandiosen Vergleiche: Ob Tennisballdosen, Katzenpisse, Blut oder Leder, Justin Leone zeigt uns neue Dimensionen des Weingenusses und was uns verdammte Deutsche besonders freut: „Wenn ich nur einen Stil von Weißwein in den Keller auf einer einsamen Insel mitnehmen dürfte, wäre es mit Sicherheit deutscher Riesling. Vor allem, wenn es eine Zeitlang dauert, bis ich gerettet werde, denn dieses Zeugs wird mit zunehmendem Alter immer besser. Mal ganz abgesehen davon, wie großartig es zu Kokosnüssen passt.“ Cheers, Justin!
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