Vor hundert Jahren wurde die Bauhaus-Bewegung gegründet. Ihre zeitlose Funktionalität läutete die Moderne mit ein und prägt sie bis heute. Davon zeugen nicht nur die legendäre „Frankfurter Küche“, sondern auch aktuelle GPK-Produkte, Elektrogeräte, Möbel und Einrichtungsgegenstände.
Urzelle der Bewegung: Das 1925/1926 errichtete Bauhausgebäude in Dessau-Roßlau von Architekt Walter Gropius (Foto: Tillmann Franzen/VG Bild Kunst, Bonn 2018)
Gnade des Himmels lässt in seltenen Lichtmomenten, die jenseits seines Wollens stehen, unbewusst Kunst aus dem Werk seiner Hand erblühen, die Grundlage des Werkmäßigen aber ist unerlässlich für jeden Künstler. Dort ist der Urquell des schöpferischen Gestaltens“, mit diesen Worten forderte der gebürtige Berliner Walter Gropius im Jahr 1918 in einem Flugblatt die Abkehr von allzu schmückender wie selbstgenügsamer Kunst und Architektur und die Rückkehr zu wahrem Schaffensdrang, und wie man es vom Bau kannte.
In dem Bauhaus-Maifest rief er die Einheit bestimmter Berufszweige aus und orientierte sich dabei an den mittelalterlichen Kathedralenerbauern: „Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte! Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in einer Gestalt sein wird: Architektur und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens.“
Revolution der Redunanz
In seinen weiteren Zeilen übte sich Gropius nicht gerade in – sprachlicher – Redundanz. Dabei bildete doch die Reduktion auf das Wesentliche, auf das Funktionale und auf einfache Formen den Kern seiner Philosophie. Diese ging mit den dramatischen Prozessen in Deutschland daher, mit der fortschreitenden Industrialisierung und dem Bruch mit der Politik, Kultur, Erhöhung des Nationalen und dem wilhelminischen Traditionsgeschnörkel der Vätergeneration, mit dem verlorenen 1. Weltkrieg und der anschließenden Novemberrevolution mit dem Ausrufen von Räterepubliken.
Vor diesem Hintergrund sympathisierte der damals 35-Jährige als Mitglied des ’Arbeitsrates für Kunst’ mit dem „Primat der Architektur“, sah die Kriegerdenkmäler am liebsten abgerissen und sein Metier als Mittel zur Revolutionierung der Gesellschaft. Zuvor hatte der Sohn des Geheimen Baurats Walter Gropius und Großneffe des preußischen Klassizismus-Vordenkers Martin Gropius an den Technischen Hochschulen in München und Oranienburg Architektur studiert.
Geradlinige Glasserie Modo von Jenaer Glas: Laut Hersteller „ein Glas wie große Architektur“ (Foto Jenaer Glas/Zwiesel Kristallglas AG)
Funktional: Die kubisch geformten Spielfiguren von Neef sind in Bauhaus-Tradition (Foto Naef Spiele AG, Schweiz)
TAC-Porzellangeschirr: Entwurf von Walter Gropius als Freund des Hauses und der Unternehmerfamilie Rosenthal (Foto: Rosenthal GmbH)
Obwohl er das Studium ohne Diplomabschluss abbrach, gelang ihm zunächst die Mitarbeit in einem renommierten Architekturbüro und dann die Selbstständigkeit als Industriedesigner und Architekt. Walter Gropius junior stieß zum ’Deutschen Werkbund’, einer wirtschaftskulturellen „Vereinigung von Künstlern, Architekten, Unternehmern und Sachverständigen“ und machte schnell von sich zu reden – durch eine Ausstellung für das neugegründete ’Deutsche Museum für Kunst in Handel und Gewerbe’, durch das Gestalten unter anderem von Inneneinrichtungen, Tapeten und Serienmöbeln und durch den richtungsweisenden Mitentwurf eines Fabrikneubaus. Jenes Fagus-Werk in Alfeld an der Leine leitete mit seiner Stahl- und Glasarchitektur die „Moderne Architektur“ ein, die auch unter den Begriffen „Neues Bauen“ oder „Neue Sachlichkeit“ firmierte.
Avantgarde + Einbauküche
Mit dem Ruf Gropius’ 1919 als Direktor an die Großherzoglich-Sächsische Hochschule für Bildende Kunst ins thüringische (!) Weimar erging die Umbenennung in ’Staatliches Bauhaus in Weimar’, 1925 der Umzug nach Dessau in Sachsen-Anhalt und 1933 die Schließung in Berlin auf Druck der Nationalsozialisten. Danach emigrierte Gropius zunächst nach England und dann in die USA, wo er im Jahr 1969 und damit fünfzig Jahre nach dem Ausrufen der „Bauhaus“-Bewegung starb.
Auch wenn Kritiker ihm die Konzentration auf räumliche und finanzielle Effizienz, eine überzogene Industrialisierung und Normierung sowie eine zu geringe Empathie für die Bedürfnisse der Bewohner vorwarfen, hat sich sein Stil etabliert. Der Formalismus des Bauhaus und die Idee vom „Baukasten im Großen“ lieferte auch die Grundlage für Plattenbauten und Satellitenstädte, die aber neue soziale Probleme schufen. Aus der steigenden Nachfrage nach Wohnraum war in den 1920-Jahren übrigens auch die „Frankfurter Küche“ hervorgegangen. Der Urtyp der modernen Einbauküche wurde von der Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky entwickelt. Allein in den Siedlungen der Mainmetropole wurden damals rund 12.000 Küchen eingebaut.
Die „Mutter“ aller Einbauküchen wird genauso der Avantgarde der Bauhaus-Bewegung zugeordnet wie die deutsch-amerikanischen und schweizerisch-französischen Mitgründer und Berufskollegen Ludwig Mies von der Rohe und Le Corbusier.
Bauhaus 100 Initiative
Im Jahr 2019 wird dem Bauhaus und seiner 14-jährigen Zeit des Bestehens mit vielen Aktivitäten in zwölf Bundesländern gedacht. Auf die lebendige Ideenschule und das Experimentierfeld des Bauhaus’ weist die bundesweite Initiative explizit auch auf andere Berufsfelder hin.
Die Bauhäusler entwarfen berühmte Möbel, Leuchten, Kunstwerke und Räume, die heute als modern und berühmt gelten. Auch Branchenhersteller aus den Bereichen Glas, Porzellan, Keramik (GPK), Elektrogeräte, Sitzmöbel, Einrichtungsgegenstände und Spielwaren berufen sich bei bestimmten Produkten, Kollektionen oder Konzepten auf diese Tradition.
So stand das Bauhaus im Fokus des 7. Internationalen Porzellanworkshops Kahla Kreativ und des anschließenden Diskussionsforums. Die Veranstaltungsreihe dreht sich um die experimentelle Arbeit mit Porzellan in der Auseinandersetzung mit dem Thema Essen. Sie ist von der Stiftung des Unternehmensgründers von Kahla/Thüringen Porzellan, Günther Raithel, initiiert und wird zusammen mit Sponsoren finanziert. Bei dem diesjährigen Workshop sollten die Workshop-Teilnehmer ausdrücklich „vor dem Hintergrund des bevorstehenden hundertjährigen Bauhausjubiläums 2019 Anknüpfungspunkte an die wegweisende Arbeit zum Themenfeld an dieser Institution zwischen Kunst und Handwerk“ finden. Ausgewählte Werke werden einem größeren Publikum dann im Bauhaus-Jahr 2019 gezeigt – in den Museen Porzellanikon, Selb, Kunststiftung Sachsen Anhalt, Halle und im Schloss Belvedere, Weimar.
Elegante Silhouette: Modernes Gedeck des „Services 639“ des Bauhaus-Schülers Wilhelm Wagenfeld vom Porzellanhersteller Fürstenberg (Foto: Porzellanmanufaktur Fürstenberg GmbH)
Junghans Wanduhr Max Bill: Neu aufgelegter Klassiker mit Funktechnologie (Foto: Uhrenfabrik Junghans GmbH & Co.KG)
Spannende Branchenprodukte
Auch die belgische Designermarke Serax zitiert aktuell den „zeitlosen Stil“ des Bauhaus und sieht ihn als Inspiration für viele Kreative. In diesem Kontext bewirbt der Hersteller die „außergewöhnlichen Betonprodukte“ des jungen französischen Designers Frédérick Gautier, der für das Label unter anderem kleine „Tea for One“-Teekannen und verschieden große Teller entworfen hat. „Aus einer modernistischen Perspektive stellen die Objekte eine Art Brutalismus dar, der die Textur und die Unebenheiten des Materials betont und jegliche Form von Verschönerung überflüssig macht“, erläutert Serax.
Dagegen kann das Unternehmen Ritterwerk sogar behaupten, Zeitgenosse des Bauhaus’ zu sein und schon lange vor dessen Beginn bestanden zu haben. Der im Jahr 1905 gegründete Hersteller hat mit Messerputzmaschinen angefangen und später sein Portfolio um Schneidemaschinen erweitert. Diese wurden unter der Regie des Designers Karl Dittert gestaltet, der Schüler eines Werkbund-Produktgestalters war, der im regen Austausch mit der Bauhaus-Szene stand. Angesichts der Vielschichtigkeit der damaligen Kunstbewegung ist es laut Ritterwerk „gar nicht möglich, von dem typischen Bauhaus-Stil zu sprechen.“
„Doch was ist es, das bis heute Fortsetzung findet? Wo ist dieser rote Faden des Bauhaus, der sich hindurch zieht und auch bei Ritterwerk weiterlebt?“, fragt das Gröbenzeller Familienunternehmem und beantwortet dies mit dem Credo „Form folgt der Funktionalität“, mit der „Materialgerechtigkeit“ und der „Optimierung der praktischen Kücheneinrichtung“. Diese Tendenz konkretisiert der Hersteller anhand einiger Küchenmaschinen, die mit dem minimalistischen Materialeinsatz und den klaren geometrischen Formen der reduzierten, puristischen und zeitlosen Bauhaus-Optik treu bliebe.
Dazu kommt das Versprechen echter Nachhaltigkeit, die mit dem Reparatur- und Ersatzteilservice für Kunden auch noch Jahrzehnte nach dem Kauf einhergeht. „Meine Zielsetzung ist die Langlebigkeit, auch optisch, eben nicht kurzfristigen Trends hinterherzulaufen. Das ist für mich eine Tradition, der ich mich verbunden fühle“, betont denn auch Designer Martin Dettinger, der viel für Ritterwerk gestaltet: „Industriedesign als konstruktives Entwerfen. Konstruktiv im doppelten Wortsinn: Ordnend in der Ästhetik und zielführend in der Umsetzung.“
Aktuelle Beispiele hierfür sind der Toaster volcano, der Wasserkocher fontana5 und auch die Kaffeemaschine cafena5. „In Zukunft sollen weitere Produkte folgen, die einerseits in der Bauhaus-Tradition stehen und andererseits den Gegebenheiten des Marktes und der technischen Möglichkeiten Rechnung tragen, eine Symbiose von Zeitgeist und Elementen des Bauhaus-Designs“, kündigt der Elektrogeräte-Hersteller an.
Da die Bauhaus-Tradition langlebige und zeitlose Produkte hervorbringt, sind die Klassiker heute noch beliebt und erhältlich. Doch hierbei ist auf die Lizenzierung durch das Bauhaus-Archiv zu achten. So weist der Lampenhersteller Tecnolumen bei seiner berühmten Tischleuchte WG24 des Bauhaus-Schülers Wilhelm Wagenfeld auf die genehmigte Reedition hin und warnt im Rahmen seiner No-Fake-Aktion vor Plagiaten der kultigen ’Bauhaus-Lampe’. Das hat sowohl mit dem weltweit urheberrechtlich geschützten Design als auch mit der Qualität der in Bremen hergestellten Tischleuchte zu tun.
Arnd Westerdorf
Form-Funktion: Tecta F51 Interpretation von Katrin Greiling (Foto: HGEsch, Hennef / Tecta)