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Rekordverdächtige Zahlungsmoral droht einzubrechen

29. Juni 2016, 13:41

Die Unternehmensinsolvenzen gehen schon das siebte Jahr in Folge zurück. Bis Ende Dezember erwartet der BDIU nur noch 22.000 Fälle (2015: 23.123). Auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen sinkt auf voraussichtlich zwischen 75.000 bis 76.000 Verfahren (nach 80.347 im Jahr 2015).

„Der Konjunkturmotor läuft prächtig und versorgt die Firmen mit Liquidität, nicht zuletzt dank der guten Binnennachfrage“, sagt BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd. „Es könnte aber auch das verflixte siebte Jahr sein.“ Durch den Brexit hätten sich die Aussichten verschlechtert. „Groß­bri­tannien ist einer unserer wichtigsten Handelspartner. Die Brexit-Folgen werden die Unternehmen zwar nicht sofort spüren. Aber wir befürchten, dass im kommenden Jahr die Zahl der Insolvenzen wieder ansteigt – und das wird auch die Zahlungsmoral wieder verschlechtern.“

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Zahlungsmoral: Kunden von Onlineshops nachlässig

Aktuell ist vor allem die B2B-Zahlungsmoral hervorragend. Sie hat sich noch einmal verbessert. Im B2C-Geschäft dagegen gibt es manche Probleme. 44 Prozent der BDIU-Mit­glieder berichten, dass On­lineshops Schwierigkeiten haben, ihr Geld von den Kunden zu bekommen. Weitere Gläubiger mit Problemen sind die Energiewirtschaft (laut 40 Prozent der Inkassounternehmen), die Dienstleistungsbranche allgemein (37 Prozent) sowie Vermieter (34 Prozent). Beim Handwerk (34 Prozent, minus 11 Prozentpunkte) und beim Baugewerbe (17 Prozent, minus 16) zahlen Kunden jetzt allerdings erheblich besser als noch im Sommer 2015.

Viele Zahlungsmuffel handeln mit Vorsatz

Hauptgrund, warum Verbraucher nicht bezahlen, ist Überschuldung. 78 Prozent der Inkassounternehmen berichten das. 72 Prozent nennen ein unkontrolliertes Konsumverhalten als ursächlich. Ein Jobverlust als Nichtzahlgrund landet nur noch an vierter Stelle – dafür beobachten jetzt mehr als die Hälfte (57 Pro­zent), dass private Schuldner absichtlich ihre Zahlungen nicht leisten. »Dafür gibt es ein einfaches Wort«, sagt BDIU-Vi­ze­prä­si­dentin Marion Kremer. »Ein solches Verhalten ist Betrug. Diese Schuldner spielen mit der wirtschaftlichen Existenz der Gläubigerfirmen sowie derer Mitarbeiter.«

Problematisch ist nach Erfahrung der Inkassounternehmen auch, dass viele Privatschuldner über zu wenig Finanzwissen verfügen. »Vor allem junge Erwachsene im Alter von 18 bis 24 Jahren nehmen Zahlungsverpflichtungen gerne mal auf die leichte Schulter«, so Kremer. 53 Prozent melden in der Umfrage, dass junge Verbraucher Rechnungen schlechter bezahlen als über 25-Jäh­rige. Oft sind es Konsumschulden, über die wir dann sprechen müssen.“

Junge Schuldner stehen vor allem bei Onlinehändlern in der Kreide (87 Prozent der Umfrageteilnehmer melden das) sowie bei Telekommunikationsunternehmen (85 Prozent). Jeweils 60 Prozent nennen Fitnessstudios und Versandhändler. Bei Erwachsenen und älteren Schuldnern stehen Verbindlichkeiten gegenüber Banken- und Kreditinstituten an erster Stelle.

Öffentliche Hand zahlt noch schlechter

Scharfe Kritik üben die Forderungsmanager an der Rechnungstreue der öffentlichen Hand. Kein einziges Inkassounternehmen meldet, dass der öffentliche Sektor Rechnungen jetzt besser bezahlt als noch vor sechs Monaten. 15 Prozent beobachten sogar eine weitere Verschlechterung. „Ei­gent­lich ist das absurd“, kritisiert Marion Kremer. „Die Steuereinnahmen sprudeln, auch für Städte und Gemeinden.“

Allerdings lastet auf vielen Kommunen, zum Beispiel in Ostdeutschland oder in Nordrhein-Westfalen, ein so gewaltiger Schuldenberg, dass sie, wären sie ein privater Betrieb, eine Insolvenz anmelden müssten. Gedankenspiele dazu gibt es bereits. Erst vergangene Woche hatte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angeregt, über die Gangbarkeit von Konkursverfahren für Gebietskörperschaften in Deutschland nachzudenken.

Die Inkassounternehmen halten einen solchen Schritt nicht für erforderlich. „Ein Insolvenzverfahren für Kommunen oder gar ganze Bundesländer kennen wir hierzulande nicht“, erklärt Marion Kremer, „und wir warnen davor, an den lokalen Haushalten ein Experiment mit ungewissen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger durchzuführen. Die Kämmerer sollten stattdessen alle ihre Einnahmepotenziale nutzen. Wir haben den Eindruck, dass in vielen Kommunen das Forderungsmanagement deutlich verbessert werden könnte. Aktuell hat die Stadt Essen drei Inkassounternehmen im Wege der Verwaltungshilfe beauftragt, sie beim Forderungsmanagement zu unterstützen. Solche Maßnahmen können dazu beitragen, die Krise der kommunalen Haushalte in der Bundesrepublik zu bewältigen.“

Betrugsversuche durch „Fake-Inkasso“

Der Inkassoverband erhält immer mehr Beschwerden wegen gefälschter Mahnschreiben. „Wir nennen das Fake-Inkasso“, berichtet  BDIU-Präsidentin Pedd. Die gefälschten Briefe sind von echten kaum noch zu unterscheiden. Bei einem aktuellen Fall hatten Betrüger die sehr professionell wirkende Webseite einer Fake-Firma erstellt, auf der sie sogar behaupteten, die Firma sei seit dem Jahr 1979 Mitglied im BDIU und würde sich angeblich „der strengen Kontrolle des Verbands unterwerfen“.

„Wir haben sofort Strafanzeige erstattet“, erklärt Kirsten Pedd, „genauso übrigens wie viele andere Geschädigte.“ Zahlungen sollten auf ein Konto im Ausland erfolgen – erkennbar an den beiden ersten Buchstaben der IBAN-Kon­tonummer –, und einige Empfänger der Schreiben haben diese Scheinforderungen auch bezahlt. „Alleine bei diesem Fall sind mehrere Hunderttausend gefälschte Briefe verschickt worden. Es wurden Summen von bis zu 2.000 Euro verlangt“, berichtet Pedd. „Vermutlich ist ein Schaden in Millionenhöhe entstanden.“

Behörden zum Handeln aufgefordert 

Schon bei jedem vierten Mitgliedsunternehmen des Inkassoverbands haben sich Verbraucher wegen eines Falls von „Fake-Inkasso“ gemeldet. „Die Behörden müssen handeln“, fordert die BDIU-Präsidentin. „Das ist organisierte Kriminalität, die Verbraucher hierzulande betrifft – und den guten Ruf der Inkassowirtschaft schädigt.“

„Die Einhaltung regelbasierten Inkassos ist für uns eine Verpflichtung und Selbstverständlichkeit. Dazu gehört auch, Forderungen für Verbraucher so transparent wie möglich darzulegen“, ergänzt Kirsten Pedd. Seit dem Jahr 2014 gelten neue Informationspflichten im Inkasso, die es Verbrauchern erleichtern, Betrugsversuche zu erkennen. Das zuständige Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) will die Einhaltung und die Wirksamkeit dieser Regeln bis Frühjahr kommenden Jahres evaluieren. „Wir bieten dazu dem BMJV ausdrücklich unsere Zusammenarbeit an“, sagt die BDIU-Präsidentin abschließend.  

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